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Update

Vereinte Nationen: EU bedauert Scheitern der Syrien-Resolution im Sicherheitsrat

Russland hat seine Drohung wahr gemacht und zusammen mit China auch die jüngste Syrien-Resolution der UN mit seinem Veto blockiert. Zuvor waren nach Angaben der Opposition 260 Menschen in der Nacht zu Samstag getötet worden.

Die Europäische Union hat die Blockade der Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat durch Russland und China „tief bedauert“. Dadurch sei es dem Rat unmöglich gemacht worden, „den Ruf der arabischen Liga nach einem umfassenden, syrisch-geführten politischen Prozess, durchgeführt in einer Umgebung frei von Gewalt, zu unterstützen“, heißt es in einer am Samstagabend verbreiteten Erklärung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die EU werde auch weiter alle Bemühungen der arabischen Staaten unterstützen. Zugleich forderte Ashton alle Mitgliedsländer des Sicherheitsrates auf, Verantwortung zu übernehmen.

„Die Zeit ist gekommen, mit einer Stimme zu sprechen, ein Ende des Blutvergießens zu fordern und sich für eine demokratische Zukunft Syriens auszusprechen“, erklärte Ashton. Zugleich verurteilte sie die andauernde Gewalt in Syrien. „Wir fordern Präsident (Baschar al-)Assad auf, das Töten von Zivilisten sofort zu beenden, die syrische Armee von den belagerten Ortschaften und Städten abzuziehen und um seines Landes willen abzutreten, um Raum für einen friedlichen Übergang zu schaffen.“

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat das Veto Russlands und Chinas gegen eine UN-Resolution zu Syrien scharf kritisiert. Damit werde die Rolle der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft untergraben, erklärte Ban am Samstag. Während sich die Krise in Syrien mit Gewalt und Leid für das syrische Volk verschärfe, habe der Sicherheitsrat eine Chance vertan, einmütig für ein Ende der Krise und eine friedliche Zukunft einzutreten. Für das syrische Volk, den Nahen Osten und alle Unterstützer von Menschenrechten und Demokratie sei dies eine große Entttäuschung, beklagte der UN-Generalsekretär.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, verurteilte die Blockade als „beschämend“. Moskau und Peking warf sie vor, Verrat an der syrischen Bevölkerung zu begehen und einen „feigen Tyrannen“ zu beschützen.

Der chinesische Vertreter bei den Vereinten Nationen, Li Baodong, forderte dagegen weitere Konsultationen über einen Resolutionstext. Es sei „bedauerlich“, dass eine Abstimmung über den Entwurf im Sicherheitsrat durchgesetzt worden sei, obwohl Russland „vernünftige“ Änderungsvorschläge gemacht habe, sagte er laut der Nachrichtenagentur Xinhua.

US-Außenministerin Hillary Clinton hat das Veto Russlands und Chinas gegen die Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat scharf kritisiert. „Es ist schwer vorstellbar, dass es nach dem bisher blutigsten Tag in Syrien immer noch jene gibt, die die internationale Gemeinschaft daran hindern wollen, diese Gewalt zu verurteilen“, sagte sie am Samstag in München. „Ich möchte sie fragen: Was müssen wir denn noch wissen, um im UN-Sicherheitsrat entschlossen zu handeln?“ Russland hat bisher jede Kritik des Sicherheitsrats an seinem Verbündeten und Waffenkunden Syrien unterdrückt.

Clinton sagte, sie habe gleichen Tags in München am Rande der Sicherheitskonferenz ihren russischen Amtskollegen Sergej Lawrow vom Veto gegen die Syrien-Resolution abzubringen versucht: „Das war nicht möglich.“ Clinton fürchtet eine Eskalation der Gewalt in Syrien, wenn Präsident Baschar al-Assad weiter an der Macht bleibt. „Ich weiß, was passieren wird: mehr Blutvergießen, zunehmender Widerstand jener, deren Familien getötet werden und eine größer Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs“, sagte sie.

Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin stimmte am Samstag auf einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates zusammen mit China in New York trotz einer großen Mehrheit gegen einen von Arabern und Europäern unterstützten Entwurf. Als Vetomächte können Russland und China jede noch so starke Mehrheit überstimmen.

Der Entwurf war von Marokko eingebracht worden und enthielt keine Sanktionen. Auf russischen Druck war er bereits deutlich gemildert worden. Moskau hatte am Vortag dennoch angekündigt, ihn nicht mittragen zu wollen.

In Syrien sollen inzwischen etwa 6000 Menschen getötet worden sein. Erst in der Nacht vor der Abstimmung waren nach Angaben von Aktivisten in der Stadt Homs 300 Menschen getötet worden. Das Regime geht mit militärischer Gewalt gegen alle Kritiker vor - sowohl gegen bewaffnete Aufständische als auch gegen friedliche Demonstranten und Dissidenten. Etwa 400 der Todesopfer sollen Kinder sein.

Während im Weltsicherheitsrat weiter heftig um den Wortlaut der ersten UN-Resolution gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad gerungen wurde, hat die syrische Armee nach Angaben von Menschenrechtsgruppen in der Nacht zu Samstag ein beispielloses Massaker an Bewohnern der Stadt Homs verübt. Nach Augenzeugenberichten wurden die sunnitischen Wohnviertel Khalidiyeh, Bab Amr und Qusur von Mitternacht bis in den frühen Morgen mit schwerer Artillerie und Panzerraketen systematisch unter Feuer genommen. Wie die „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ in London und der „Syrische Nationalrat“ bestätigten, starben über 200 Menschen in ihren Häusern, von denen 36 total zerstört wurden. Der Fernsehsender Arabiya spricht sogar von mehr als 400 Toten und über 1300 Verletzten, darunter viele Frauen und Kinder. Das Regime in Damaskus bestritt alle diese Berichte und tat sie als „hysterische Propaganda-Kampagne bewaffneter Gruppen“ ab, die nur den UN-Sicherheitsrat beeinflussen wollten. Die Toten „auf den Bilder der Satellitenkanäle“ seinen in Wirklichkeit von Bewaffneten entführt und getötet worden. Eine unabhängige Bestätigung für das Massaker ist allerdings unmöglich, weil das Assad-Regime seit zehn Monaten jede freie Berichterstattung im Land strikt unterbindet.

In New York ging derweil der diplomatische Nervenkrieg um die Verabschiedung der UN-Resolution weiter, während Regimegegner in London, Athen, Madrid und Berlin sowie in Kairo und Kuwait-Stadt die syrischen Botschaften stürmten und das Inventar verwüsteten. Die Vertretung am Nil im Stadtteil Garden City brannte teilweise aus.

Westliche UN-Diplomaten versicherten am Samstag, die Syrien-Resolution werde noch am Samstag zur Abstimmung gestellt. Zuvor hatte Außenminister Sergei Lawrow gewarnt, ein solches Votum könnte in einem „weiteren Skandal“ für den Sicherheitsrat enden und klargestellt, Russland werde das UN-Dokument in seiner jetzigen Form erneut mit seinem Veto blockieren. Am Rande der Sicherheitskonferenz in München kam Lawrow mit seiner US-Amtkollegin Hillary Clinton zusammen. Die arabischen Staaten und der Westen hatten sich am Donnerstag zu Konzessionen an Moskau bereit erklärt. Dann wurde im Haupttext nicht mehr ausdrücklich der Machtverzicht von Präsident Assad verlangt und ein Waffenembargo gefordert. Stattdessen hieß es, der UN-Weltsicherheitsrat unterstütze „ohne Einschränkungen“ die Forderungen der Arabischen Liga, die allerdings Mitte Januar von Assad genau jenen Machtverzicht innerhalb der nächsten zwei Monate verlangt hatte.

Ein Amateurvideo aus Homs zeigt chaotische Szenen aus der Moschee des bombardierten Stadtteils Khaldiyeh, die als provisorische Notaufnahme für Verletzte genutzt wurde. Aber auch zahlreiche Tote liegen auf dem Teppichboden. Auf einer anderen Aufnahme versuchen Bewohner verzweifelt, ihre brennenden Häuser zu löschen. Homs, das teilweise aussieht wie eine Ruinenstadt, gilt seit Monaten als Hochburg des Widerstands gegen das Assad-Regime. Teile der Stadt sind bereits unter der Kontrolle der „Freien Syrischen Armee“, andere Teile nach wie vor unter im Griff des Regimes. Möglicherweise ist das Massaker eine Vergeltungsaktion für den Überfall von Deserteuren auf einen Armeeposten im Stadtteil Khaldiyeh, bei dem 19 Soldaten getötet oder gefangen genommen wurden.

Nach Angaben der Opposition bombardierten syrische Streitkräfte in der Nacht zu Samstag auch die Stadt Jisr al-Shughur nahe der Grenze zur Türkei sowie Vororte von Damaskus, wo es nach wie vor zu heftigen Kämpfen kommt. Die „Freie Syrische Armee“ erklärte derweil durch einen ihrer Sprecher, die regulären Truppeneinheiten seien in einem „erbärmlichen Zustand und stehen kurz vor dem Kollaps“. Zwar gebe es noch große militärische Reserven, doch die Soldaten „hätten keine Motivation mehr zu kämpfen“. Nach seinen Angaben wachsen zwischen der alawitischen Generalität, die der gleichen schiitischen Religionsgruppe angehört wie der Assad-Clan, und dem mittleren, meist sunnitischen Offizierskorps die Spannungen. In allen Landesteilen kommt es Tag für Tag zur Fahnenflucht meist sunnitischer Wehrpflichtiger. (mit dpa)

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