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Verena Becker.

© dpa

Verena Becker: Helferin mit Täterwissen

Die Ex-RAF-Terroristin Becker soll in Haft – fordert die Bundesanwaltschaft, gibt aber frühere Punkte auf.

Die frühere RAF-Terroristin Verena Becker soll nach dem Willen der Bundesanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord am früheren Generalbundesanwalt Siegfried Buback für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. „Die Angeklagte hatte keinen ausschlaggebenden Einfluss auf die konkrete Durchführung der Tat“, sagte Silke Ritzert, Oberstaatsanwältin am Bundesgerichtshof, am Donnerstag vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Becker sei deshalb keine Mittäterin, wie es ihr die Anklage ursprünglich vorgeworfen hatte. Angemessen sei eine Strafe von vier Jahren und sechs Monaten. Zwei Jahre müssten aber als Härteausgleich angerechnet werden, da wegen ihrer Haft und der Begnadigung Anfang der neunziger Jahre keine Gesamtstrafe mehr mit zurückliegenden Taten gebildet werden könne. Becker hatte bei ihrer Verhaftung auf Polizisten geschossen und war dafür zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Ein Urteil als Mittäterin hätte Becker erneut lebenslang einbringen können. Nach dem Ergebnis der mehr als anderthalb Jahre dauernden Beweisaufnahme sei dies aber nicht nachweisbar, hieß es. Becker habe den Anschlag auf Buback und seine beiden Begleiter im April 1977 „erleichtert und gefördert“. Ohne ihre Zustimmung hätte es das Attentat nicht gegeben, sagte Ritzert. Becker habe im RAF-Kreis auf den Anschlag gedrungen und auf Zaudernde eingewirkt. Den Terroristen sei es vor allem um eine Racheaktion gegangen, wie Aussagen des Ex-RAFlers Peter-Jürgen Boock belegten.

Objektiv belasten Becker ihre DNA-Spuren auf den Bekennerschreiben. Neben den Aussagen Boocks, der Becker unterstellt, sie habe die Pläne im RAF-Kollektiv vehement vorangetrieben, sieht die Bundesanwaltschaft in ihren Kontaktaufnahmen mit Ex-Terroristen und eigenen Aufzeichnungen einen Schuldnachweis. Nach einem Tagesspiegel-Artikel vom April 2007, der sich mit Beckers Rolle beschäftigte und sie als „willige Helferin“ schilderte, habe Becker mit strafrechtlichen Folgen gerechnet, so Ritzert. In Mails mit alten Gesinnungsgenossen habe man sich des Schweigens versichert, sie habe Rolf Heißler und Sieglinde Hoffmann getroffen, um über künftige Verteidigungsstrategien zu sprechen, und sich mit Brigitte Mohnhaupt über Verdachtsmomente ausgetauscht.

In Notizen während ihrer Zugfahrten, von ihr praktizierten Befragungen ihres chinesischen Orakels und einem Briefentwurf an den Nebenkläger und Sohn des Opfers, Michael Buback, habe sie ihre Rolle mit dem Wort vom „Täterwissen“ offenbart. Die Fragen an ihr Orakel, etwa zur Kontaktaufnahme mit Stefan Wisniewski, der auch als möglicher Attentäter in dem Fall gehandelt wird, ließen diese Schlüsse zu. „Ich glaube, die Bullen wissen selbst nicht, wo die Geschichte hinführt“, habe Becker notiert und bedauert, dass es nun „das Kollektiv“ nicht mehr gäbe. „Als wäre alles umsonst gewesen.“ Die Erkenntnisse zu ihrer Rolle würden auch von Vermerken des Verfassungsschutzes gestützt, mit dem Becker in den achtziger Jahren kooperierte, sagte Ritzert.

Bei der Strafzumessung sei die lange und belastende Hauptverhandlung zu berücksichtigen, die Tat sei viele Jahre her, Becker erkrankt und „strafempfindlich“. Zwar habe sie sich im Vergleich zu anderen RAF-Tätern früh distanziert, habe aber im Prozess nur nebulös vom „eigenen Weg“ geredet, den sie gehe.

Zum Auftakt seines Plädoyers sprach Nebenkläger Michael Buback von einer „Bringschuld der Justiz“ und warf der Bundesanwaltschaft in Verfahren gegen frühere Terroristen Versagen vor. Buback glaubt, Becker habe auf seinen Vater geschossen. Viele Verbrechen seien bis heute ungeklärt. Die Justiz müsse alles tun, „um diesen bedrückenden Zustand zu beheben“. Stattdessen habe es bei der Aufklärung des Mordes „unfassbare Pannen“ und "schwerste ermittlungstaktische Fehler" gegeben. Damals ermittelnde Beamte der Bundesanwaltschaft seien vor Gericht nicht vernommen worden, das Geheimhalten von mehr als 30 Jahre alten Verfassungsschutzakten sei „befremdlich“.

Buback sagte, er sei als Naturwissenschaftler – er ist Chemieprofessor – mit kriminalistischer Erkenntnis vertraut. „Wir müssen darauf achten, dass der Sitzungssaal kein logikfreier Raum wird.“ Es gebe „erdrückende Hinweise“, dass Günter Sonnenberg Lenker des Tatmotorrads gewesen sei. Sonnenberg war mit Becker verhaftet worden und hatte die Tatwaffe dabei, wurde wegen des Mordes in Karlsruhe aber nie verurteilt.

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