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Verfassungsgericht: Karlsruhe weist Vorlage zu Wehrgerechtigkeit zurück

Der Streit um die Wehrgerechtigkeit in Deutschland wird vorerst nicht vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Eine Kammer des Zweiten Senats hat am Freitag eine Richtervorlage wegen Begründungsmängeln als unzulässig beurteilt.

Inhaltlich wurde in dem einstimmigen Kammerbeschluss keine Stellung genommen. Im Ausgangsfall hatte ein 19-Jähriger gegen seine Einberufung zur Bundeswehr geklagt. Er hielt die Einberufungspraxis für rechtswidrig, da ein großer Teil eines männlichen Jahrgangs keinen Wehrdienst ableiste. Auf seine Klage hin setzte das Verwaltungsgericht Köln das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht im Dezember 2008 die Frage der Wehrgerechtigkeit zur Prüfung vor.

Das Verwaltungsgericht führte aus, dass zwischenzeitlich weniger als 20 Prozent der Männer eines Jahrgangs zum Wehrdienst eingezogen würden. Außerdem seien 2004 zahlreiche neue Befreiungstatbestände geschaffen worden. So werden verheiratete junge Männer nicht mehr einberufen, das Höchstalter wurde auf 23 Jahre gesenkt. Die Bundeswehr dürfe ihre Einberufungspraxis aber nicht an ihrer Bedarfslage ausrichten.

Eine aus zwei Verfassungsrichtern und einer -richterin bestehende Kammer wies die Vorlage nun einstimmig als unzulässig ab. Die grundlegende Frage der Bezugsgröße sei nicht erörtert worden. So habe sich das Kölner Gericht nicht damit auseinandergesetzt, dass die Wehrpflicht von den Wehrdienstfähigen auch durch den Zivildienst abgeleistet wird.

Außerdem gebe es zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden. Einmal könne die Zahl der Wehrdienstleistenden ins Verhältnis zur Zahl derer gesetzt werden, die nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt für den Wehrdienst zur Verfügung stehen, also tauglich und nicht aus anderen Gründen befreit sind. Dann komme man für das Jahr 2008 auf eine Ausschöpfungsquote von „ungefähr 48 Prozent“, so die Kammer. Rechne man die anerkannten Kriegsdienstverweigerer hinzu, die tatsächlich Ersatzdienst leisten, erhöhe sich die Quote noch.

Man könne auch die Zahl der Wehrdienstleistenden mit der Zahl aller Männer eines Jahrgangs ins Verhältnis setzen, wie es das Verwaltungsgericht getan habe. Dann komme man 2008 auf ungefähr 13 Prozent. Die Richtervorlage habe nicht begründet, wieso letzterer Maßstab aus Verfassungsgründen geboten sei.

Mit diesen Ausführungen hat Karlsruhe zwar inhaltlich nicht über die Frage der Wehrgerechtigkeit entschieden, wohl aber Maßstäbe aufgezeigt, auf welcher tatsächlichen Grundlage der Streit künftig zu führen ist. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte in Berlin, das Gericht stütze seine Grundüberzeugung, „dass sich die Wehrgerechtigkeit an der Zahl derjenigen jungen Männer orientiert, die der Bundeswehr tatsächlich für den Wehrdienst zur Verfügung stehen“. (Az.: 2 BvL 3/09)

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