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Politik: Verfassungsrichter urteilen: Sind E-Mails mehr als Briefe?

Justizministerin verteidigt Praxis bei der Beschlagnahme von Daten / Ermittler fürchten um Aufklärung von Kinderpornographie

Das Bundesverfassungsgericht steht vor der Entscheidung, ob SMS auf Handys und E-Mails auf Computern bei Wohnungsdurchsuchungen ebenso beschlagnahmt werden dürfen wie Briefe. Anlass der Verhandlung des Zweiten Senats am Mittwoch in Karlsruhe war die Verfassungsbeschwerde einer Heidelberger Amtsrichterin. Wegen des Verdachts, Dienstgeheimnissen an die Presse verraten zu haben, wurde bei einer Wohnungsdurchsuchung ihr Computer und ihr Handy beschlagnahmt. Die Aktion verlief ergebnislos.

Die Richterin beanstandet die Beschlagnahme, da diese Daten durch das Fernmeldegeheimnis geschützt seien. In der mündlichen Verhandlung trat der Fall der Richterin allerdings in den Hintergrund. Vielmehr ging es um die grundsätzliche rechtliche Stellung von SMS- Post und E-Mails. Eine aus drei Verfassungsrichtern bestehende Kammer des Zweiten Senats hatte im Februar 2005 entschieden, diese Kommunikationsdaten fielen unter das Fernmeldegeheimnis und seien deshalb bei einer Wohnungsdurchsuchung weitreichender geschützt als konventionelle Post. Nur bei erheblichen Straftaten und organisierter Kriminalität ist auch der Zugriff auf Fernmeldedaten möglich.

Diese Kammerentscheidung stößt bei Strafrechtlern auf heftige Kritik, wie Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer zu Verhandlungsbeginn sagte. Er war selbst an dem Beschluss beteiligt. Nach der Verhandlung gilt als offen, ob der gesamte achtköpfige Zweite Senat auf dieser Linie bleibt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) war selbst nach Karlsruhe gereist und setzte sich für eine Gleichbehandlung von Post und E-Mails ein. Nach ständiger Rechtsprechung ende das Postgeheimnis mit Ankunft des Briefes beim Adressat. Wenn beim Empfänger wegen strafrechtlicher Ermittlungen eine Wohnungsdurchsuchung stattfinde, könne der Brief im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung beschlagnahmt werden. Dieses Rechtsprechung will die Ministerin auch auf SMS, E-Mails und im Handy gespeicherte Telefondaten übertragen wissen. Wie bei der Beschlagnahme von Post und Unterlagen müsse bei E-Mails und SMS nicht erst der Verdacht der Bandenkriminalität bestehen, bevor sie den Ermittlern zugänglich sein dürften.

Unterstützt wurde Zypries von der Bundesanwaltschaft und vom baden- württembergischen Justizministerium. Oberstaatsanwalt Ralf Wehowsky von der Bundesanwaltschaft sagte, die Aufklärung von Wirtschaftskriminalität werde „erheblich behindert“, wenn Verbindungsdaten geschützt seien. Denn bei Wirtschaftskriminalität werde viel über Handy- und Computerkommunikation abgewickelt. Wenn es sich aber nicht um schwere Kriminalität handele, könne nach der Entscheidung vom Februar kein Zugriff auf die Daten mehr erfolgen. Ermittler sehen deshalb auch die Aufklärung von Kinderpornografie gefährdet, da Beschlagnahmen dann nur noch dann erlaubt wären, wenn Fälle von Bandenkriminalität vorlägen.

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