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Ob Neonazis, Salafisten oder Autonome: Überall dort, wo mit Gewalt durch Extremisten zu rechnen ist, will der Bundesverfassungsschutz künftig in die Kompetenzen der Länder eingreifen können – aber nur als „Reservezuständigkeit“.

© picture alliance / dpa

Verfassungsschutz: Wie Thomas de Maizière dem Geheimdienst mehr Kompetenzen verschafft

Innenminister de Maizière will dem Bundesamt für Verfassungsschutz mehr Kompetenzen verschaffen. Doch mit dem Gesetzentwurf riskiert er Konflikte mit den Ländern und dem Regierungspartner SPD. Er geht aber geschickt vor.

Von Frank Jansen

Mehr als drei Jahre ist es jetzt her, dass die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ aufflog. Die Öffentlichkeit war geschockt, nicht nur wegen der zehn Morde und weiteren Verbrechen der Neonazis. Die Versäumnisse von Polizei, Staatsanwaltschaften und Verfassungsschutz in einem der größten Kriminalfälle der Bundesrepublik waren eklatant. Seit 2011 arbeiten die Innenminister daran, die Sicherheitsarchitektur effektiver zu gestalten, um einen zweiten NSU unmöglich zu machen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat nun in seinem Haus einen Entwurf zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes erarbeiten lassen. Was da steht, klingt allerdings konfliktträchtig.

Vor allem bei zwei Punkten. De Maizière will die Kompetenzen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) als Zentralstelle so ausweiten, dass die Behörde weit mehr in den Ländern intervenieren kann. Und der Umgang mit V-Leuten wird stärker reglementiert. Aber nicht so, wie die SPD es sich vorstellt. Und erst recht nicht wie die Opposition.

Die neue Linie des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)

Geht es nach dem Minister, soll das BfV „Informationen, Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen“ schon dann in den Ländern sammeln dürfen, wenn extremistische Bestrebungen „darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden, Gewaltanwendung vorzubereiten, zu unterstützen oder zu befürworten“. Das passt zur neuen Linie des BfV, intensiver militante Verfassungsfeinde zu beobachten, aber es bedeutet auch einen beachtlichen Eingriff in die Kompetenzen der Landesbehörden für Verfassungsschutz.

Ob Neonazis, Salafisten, Autonome – so viele Extremisten befürworten Gewalt, dass sich das BfV künftig mit jeder militanten Szene in einem Bundesland selbst befassen könnte. Und notfalls gegen den Willen des regionalen Verfassungsschutzes. Zwar würde auch im geänderten Gesetz stehen, das BfV dürfe „im Benehmen mit einer Landesbehörde“ tätig werden. Aber „Benehmen“ ist verwaltungstechnisch nicht „Einvernehmen“.

De Maizière versucht dennoch, die Länder zu besänftigen, nachdem sein Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) mit ähnlichen Ideen vor allem das SPD-regierte Nordrhein-Westfalen gegen sich aufgebracht hatte. Die erweiterte Kompetenz des BfV sei eine „Reservezuständigkeit“, die lediglich ausschließen solle, dass in einem Land „unter ungewöhnlichen Umständen dringend gebotene Maßnahmen unterbleiben“, heißt es im Papier des Innenministers. Aber er betont, wenn Extremisten ihre Ziele „gewaltorientiert“ verfolgten, sei das „Gefährdungspotenzial generell auch gesamtstaatlich bedeutsam“.

Noch bleibt der Aufschrei der Länder erst mal aus. Weil die SPD jetzt im Bund mitregiert? Das Innenministerium in Düsseldorf sagt nur, in einigen Punkten gebe es Diskussionsbedarf.

Die Sache mit den Ausnahmen

Den sehen Sozialdemokraten im Entwurf auch beim Thema V-Leute. Der Minister ignoriert einen weitreichenden Vorschlag von Eva Högl, Vizechefin der SPD-Fraktion, und des innenpolitischen Sprechers Burkhard Lischka. Der Einsatz von V-Leuten sollte „einer vorherigen Genehmigung“ durch die Abgeordneten der G-10-Kommission bedürfen, fordern die zwei Politiker in einem Positionspapier. Das Gremium entscheidet bislang nur über die Zulässigkeit von Eingriffen der Nachrichtendienste in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Das genügt de Maizière, doch Högl und Lischka verkünden, sie wollten nun beim Gesetzentwurf „mit besonderer Priorität“ prüfen, wie der Einsatz von V-Leuten stärker parlamentarisch zu kontrollieren wäre, „etwa über eine Aufgabenerweiterung der G-10-Kommission“.

Aus Sicht von Högl und Lischka darf der Verfassungsschutz keine Personen anwerben, die eine schwere Straftat begangen haben. Da argumentiert das Ministerium auch erst mal rigide, lässt aber Ausnahmen zu. Wer zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, kommt nicht als V-Person infrage. Einzubeziehen sei aber „der Stand der Resozialisierung“. Außerdem sollen V-Leute Straftaten bis hin zur Sachbeschädigung begehen dürfen, wenn nicht mehr als zwei Jahre Haft zu erwarten sind. Das hält der Linken-Abgeordnete André Hahn für „völlig absurd“.

Der ganze Gesetzentwurf sei ungeeignet, wettert der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Nachrichtendienste des Bundes beaufsichtigt. Da dürfte auch das Verständnis für de Maizières Rechnung gering sein – das BfV benötige 261 Stellen mehr.

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