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Politik: Vergiftetes Öl

KRIEG GEGEN IRAK

Von Bernd Ulrich

Wofür dürfen Demokratien Krieg führen? Gewiss zur Selbstverteidigung bei einem unmittelbaren Angriff durch eine andere staatliche Macht. Unter Umständen zur Verteidigung von Menschenrechten in fernen Ländern, sogar wenn dabei das Völkerrecht verletzt wird wie im Falle des Kosovo. Und neuerdings, das hat der 11. September gelehrt, sogar wenn ein Land von einer nicht-staatlichen Terrororganisation angegriffen wird. Aber sicher nicht, damit der Ölpreis niedrig bleibt.

Es widerspricht den modernen demokratischen Auffassungen, für materielle Vorteile Menschenleben zu opfern. Und es verstößt gegen den Instinkt der meisten Menschen im Westen. Besonders dann, wenn sie gebrannte Kinder sind, die Kinder von nazistischen Weltenanzündern, denen Interessen und Ideologien allemal mehr Wert waren als das Leben anderer Völker und der eigenen Soldaten. Darum brach sich die Ablehnung vieler Deutscher beim ersten Irak-Krieg 1991 in dem Slogan Bahn: Kein Blut für Öl.

Das war zugleich ein polemischer Spruch, weil er die andere Begründung ignorierte: Dass Saddam die Kurden im Irak mit Giftgas angegriffen und ein souveränes Land, Kuwait, sich einverleibt hatte. Der Diktator verstieß gegen Menschen- und Völkerrecht. Und er gefährdete die Ölproduktion. Die Friedensbewegung konzentrierte sich nur auf das niedere Motiv. Das war moralisch ein bisschen liederlich, denn so entkam man der ja nicht unerheblichen Frage, ob man einen Mann wie Saddam gewähren lassen darf. Innenpolitisch wurde dieses „Kein Blut für Öl“ damals mit dem Argument von Hans Magnus Enzensberger förmlich erschlagen, Saddam sei gleich Hitler. Was natürlich auch Unsinn war.

Recht hatte die Friedensbewegung seinerzeit ganz gewiss nicht. Dennoch hatte sie auch nicht ganz und gar Unrecht. Denn es ging auch um Öl. So wie es bei dem nun angekündigten zweiten Krieg auch nicht nur um die Massenvernichtungswaffen gehen würde, die Saddam sich verschaffen will. Wieder geht es auch um Öl. Und diesmal vielleicht sogar mehr als damals.

Denn eine Folge des 11. September und des Kampfes gegen den islamistischen Terror ist sicher die strategische Gefährdung der Ölversorgung des Westens. Der wichtigste Garant eines einigermaßen ungehinderten Ölflusses war in den vergangenen Jahren Saudi-Arabien. Das Land also, in dem sich der Grundwiderspruch des arabischen Öls am schärfsten zeigt. Der Widerspruch besteht darin, dass das kriminelle Regime in Riad im eigenen Interesse und im Interesse des Westens stets dafür sorgte, dass eine Drosselung der weltweiten Ölreserven stets unterminiert wird. Von dem Geld allerdings, das die Saudis damit verdienten, finanzierten sie in einer Art Ablasshandel genau den islamistischen Fundamentalismus und wohl auch Terrorismus, der den Westen hasst – und der ihn schließlich auch am 11. September attackierte. Das saudische Öl, das lässt sich seit mindestens einem Jahr nicht mehr übersehen, ist ideologisch kontaminiert.

Darum suchen die Amerikaner – und die anderen Industrieländer denken ähnlich, ohne darüber zu reden – nun nach einem anderen Weg, den Fluss des Öls aus dem arabischen Raum zu sichern, ohne diese ideologische Kontaminierung. Und da böte sich ein besonders ölreiches, aber säkularisiertes Land an. Ein Land unter einem egoistischen Diktator mit einer flach wurzelnden, nur auf seine eigene Herrschaft und die seines Clans ausgerichteten Ideologie: der Irak.

Bei einem Regimewechsel in Bagdad wären mit einem Schlag zwei Probleme gelöst: Der gefährliche Irre wäre beseitigt – und seine Nachfolger würden den freien Zugang zum Öl gewährleisten. Deshalb macht es einen großen Unterschied, mit welchem Ziel der Westen Druck auf den Irak ausübt. Wenn nur Saddams A- und B-Waffen zerstört werden sollen, dann hat man in der Ölfrage wenig gewonnen. Wenn aber die Beseitigung des Regimes zum Kriegsziel erklärt wird, dann gibt es eine neue Freiheit beim Öl.

Es gibt keine Interessen in Arabien, die nicht auch mit Öl zu tun hätten. Dennoch darf dieses Motiv nicht den Ausschlag geben. Demokratien können keinen Krieg nur für Öl führen. Insofern verfolgen die Europäer die legitimere Strategie.

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