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Verhältnis zu Emmanuel Macron: Wie nah ist Wolfgang Schäuble dem neuen französischen Präsidenten?

Emmanuel Macron und der deutsche Finanzminister sind Pro-Europäer. Beide wollen mehr Integration in der EU. Beide wollen den Euro stärken. Doch es gibt Unterschiede.

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Wolfgang Schäuble ist ein Pro-Europäer. Er gehört zu einer Generation von Politikern, die mit der Europäischen Union mehr verbinden als nur das pragmatische Organisieren einer Freihandelszone samt anhängender politischer Einrichtungen. Für den Bundesfinanzminister ist Europa ein niemals endendes Projekt der wirtschaftlichen und politischen Integration, weil nur das Voranschreiten und nicht das Stehenbleiben die Union erhält. Daher hat er einmal das Europa der zwei Geschwindigkeiten propagiert, in dem einige weiter gehen als andere, in der Hoffnung, dass die Vorpreschenden die Zögernden mit sich ziehen können, wenn sich der Erfolg der Vertiefung zeigt.

Im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise ist er da vorsichtiger geworden, weil man nun sehen konnte, dass die Währungsunion – also eine fortgeschrittene Form der Kooperation- ihre Schwierigkeiten hat, die bei den eigenen Wählern nicht unbedingt Begeisterung für mehr Europa auslösen. Auch der Brexit hat ihn bedächtiger werden lassen. Schäuble ist heute ein geläuterter Pro-Europäer, aus Erfahrung defensiver als vor zwanzig Jahren.

Daraus aber bezieht das aktuelle Fernduell mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron seinen besonderen Reiz. Der sozialliberale Politiker in Paris hat, frisch, fröhlich, frei, ehrgeizige Vorstellungen von einem stärker integrierten Europa, vor allem bezogen auf die Euro-Zone, die nicht weit weg sind von Schäubles einstiger Tempomacherei. Die inneren Reformen in Frankreich, auf dem Arbeitsmarkt etwa, die nicht ganz schmerzfrei sein würden, will Macron abfedern durch eine intensivere Kooperation in der Euro-Zone, die Frankreich nutzen soll.

Wahlkampf spielt eine Rolle

Schäuble ist nun hin- und hergerissen. Zumal der Bundestagswahlkampf die CDU, weniger die CSU, in eine unangenehme Situation zwingt. Das „Hurra“ der SPD und auch der Grünen mit Blick auf Macrons Vorschläge kann sie nicht mitmachen, will sie euro-skeptischere Wähler halten, um die sowohl die AfD als auch die FDP buhlen. Also ist eine europapolitische Gratwanderung nötig. Einerseits wirbt die CDU damit, Kanzlerin Angela Merkel habe die europäischen Dinge im Griff, andererseits wird sie nicht allzu offensiv dafür plädieren, das EU-Projekt mit Verve voranzutreiben.

Ein Beispiel für diese abwägende Linie hat Schäuble jetzt in einem Gespräch geliefert, das die italienische Zeitung „La Republicca“ mit ihm führte. Wenn man „alte Interviews und Aufsätze“ von ihm lese, dann erkenne man viele Gemeinsamkeiten mit Macron. Nur galoppiert ihm eben der Franzose etwas zu mutig voran. Schäuble gibt zu bedenken, dass es zwei Wege gebe, die Eurozone zu stärken: den komplexen Prozess der Vertragsänderung, einstimmig abzuschließen von allen Mitgliedern, was der deutsche Finanzminister für nicht realistisch hält; oder aber im bestehenden Rahmen, sozusagen Schritt für Schritt. Der erste dabei ist für ihn die „Weiterentwicklung“ des Vertrags über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem Europäischen Währungsfonds, der mit Krediten und Hilfen einspringt, wenn ein Euro-Staat ins Wanken kommt. Ziel ist die Stabilisierung des Euro.

Ein Euro-Parlament?

Ein Parlament für die Eurozone, eine Lieblingsidee Macrons, lehnt Schäuble nicht ab, allerdings will er es nicht als separate Institution, sondern als Parlament im Parlament – also als eine Art großen Sonderausschuss des Straßburger Parlament, der dann den ESM kontrolliert. Dass der ESM oder dann der Währungsfonds Kontrollrechte in den Mitgliedsländern haben soll, ist eine Fortsetzung von Schäuble umstrittenem Umgang mit Schuldenbremse und Landeshaushalten daheim – auch da ist er Kontrollfreak, weil er glaubt, dass nur Druck die nötige Einhaltung der Regeln garantiert. Werden sie respektiert, hat Schäuble nichts dagegen, weitere Schritte zu gehen – etwa bei den Staatsanleihen, wobei er Eurobonds weiterhin nicht vorschlägt. Im Grunde denkt Schäuble mit Blick auf die französischen Wünsche ähnlich wie im Fall Griechenlands (oder bei anderen Rettungskandidaten während der Finanzkrise): ein Zugeständnis von Deutschland auf der europäischen Schiene sollte einhergehen mit der Umsetzung eines Reformprojekts im Nachbarland, das aus seiner Sicht zur Stabilisierung beiträgt. In der italienischen Zeitung findet sich ein Satz, der seine Politik auf den Punkt bringt: „Wir müssen Risiken reduzieren, bevor wir sie vergemeinschaften.“

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