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Politik: Verhandeln statt reformieren

Ägypten richtet den Nahost-Gipfel aus – und entzieht sich dem Druck der USA

Die neue Gesprächsbereitschaft im Nahostkonflikt nach dem Tode Jassir Arafats nutzt Ägypten dazu, seine Vermittlerrolle in Nahost wieder aufzunehmen. Und gleichzeitig seine eigenen Beziehungen zu Israel zu verbessern. Die Einladung des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon zu einem Gipfel mit dem neuen Palästinenserführer Mahmud Abbas und König Abdullah II. von Jordanien am Dienstag in Scharm al Scheich ist der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung.

Kairo und Tel Aviv hatten bereits vor dem Tode Arafats wieder Kontakt aufgenommen, nachdem seit dem Ausbruch der zweiten Intifada vor knapp fünf Jahren Funkstille geherrscht hatte. Der Bombenanschlag in Taba im Sinai Anfang Oktober, bei dem mehrheitlich israelische Touristen starben, hatte die Notwendigkeit einer besseren Kooperation deutlich gemacht. Das Ergebnis ist ein Abkommen, das die Aufstellung bewaffneter ägyptischer Sicherheitskräfte entlang der gemeinsamen Grenze erlaubt. Dieses erste Zusatzabkommen zum Friedensvertrag von 1979, dessen Unterzeichnung diese Woche geplant ist, soll Ägypten erlauben, in der demilitarisierten Zone im Sinai etwa 700 Grenzschützer einzusetzen. Die Verhinderung terroristischer Anschläge im Sinai und die Sicherung der Grenze zum Gazastreifen sind Ziel dieser beschränkten Remilitarisierung des nördlichen Sinai.

Die bessere Sicherung der Grenze zu den Palästinensergebieten, an der regelmäßig Tunnel von Waffenschmugglern ausgehoben werden, ist eine Vorbereitung für den geplanten Abzug der israelischen Armee aus dem besetzten Gazastreifen. Kairo hat außerdem die Ausbildung von bis zu 30 000 palästinensischen Polizisten angeboten, welche im Gazastreifen für Ordnung sorgen sollen.

Doch Geheimdienstchef Omar Suleiman bemüht sich in einer Shuttle-Diplomatie auch darum, die palästinensischen Fraktionen zu einen. Er führt in den Palästinensergebieten Gespräche mit Hamas und Islamischem Dschihad, deren Führer auch in Kairo zu Besuch waren. Ägypten will noch im Februar einen palästinensischen Gipfel organisieren, an dem auch die im Ausland ansässigen Fraktionen teilnehmen können.

Doch das ägyptische Engagement ist bei den Palästinensern nicht unumstritten. Abbas persönlich führt seit Monaten intensive Gespräche mit den militanten Fraktionen. Die Einladung zum Gipfel kam für die Palästinenser nach Angaben aus Ramallah überraschend. Abbas wollte erst Fortschritte bei den andauernden politischen Verhandlungen mit Israel machen, bevor er sich mit Scharon zum Fototermin trifft. Die Angst der Palästinenser ist, Israel und Ägypten könnten als die großen Gewinner des Gipfels dastehen und feierliche Deklarationen könnten überdecken, dass in Sachfragen noch keine Einigung erzielt wurde. Ägypten verknüpft sein Engagement mit der Hoffnung, den amerikanischen Druck zur Demokratisierung zu mildern. Präsident George W. Bush hatte in seiner Rede an die Nation ausdrücklich auch den langjährigen Alliierten Ägypten zu politischer Liberalisierung gedrängt. Dass Präsident Mubarak dazu nicht bereit ist, hat die jüngste Verhaftung des Oppositionspolitikers Ayman Nur gezeigt, dessen Partei Al Ghad erst im Herbst zugelassen worden war.

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