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Israels Ministerpräsident Netanjahu bei einer Pressekonferenz.

© Reuters

Verhandlungen über Waffenstillstand im Gazastreifen: Israel: Deutschland soll EU-Mission führen

Israelis und Palästinenser verhandeln in Kairo über eine Verlängerung der am Freitag auslaufenden Waffenruhe. Israels Außenminister Liebermann fordert die Bundesregierung zur Entsendung von Inspektoren auf.

Noch nie wurden in so kurzer Zeit so viele Vereinbarungen über einen Waffenstillstand geschlossen, ausgerufen und sofort wieder gebrochen wie in den 29 Tagen des jüngsten Gazakrieges. Seit Dienstag früh nun scheint die Waffenruhe tatsächlich zu halten. 72 Stunden sind zunächst vereinbart, während sich in Kairo die Feinde auf dem Schlachtfeld zum ersten Mal zu Gesprächen treffen. Nicht Auge in Auge: Beide Seiten reden nur indirekt und über ägyptische Pendelemissäre miteinander. Alle Beteiligten jedoch wissen, dass die gegenwärtige Lage völlig untragbar ist. Und der Druck der internationalen Gemeinschaft ist monumental geworden, endlich die Ursachen für die immer apokalyptischeren Waffengänge anzupacken.

Nach dem Angebot aus Berlin, Paris und London zu einer europäischen Grenzmission im Gazastreifen kommen aus der israelischen Regierung konkrete Forderungen an die Bundesregierung: "Deutschland und die EU müssen Inspektoren nach Gaza entsenden, um den Handel der Palästinenser mit den Nachbarstaaten zu kontrollieren", sagte Israels Außenminister Avigdor Liebermann der "Bild"-Zeitung (Donnerstagsausgabe). Die deutsche Regierung müsse "als Anführer einer solchen Mission Verantwortung übernehmen".

"Deutschland muss eine entscheidende Rolle einnehmen"

Aufgabe des Engagements müsse die Abwendung einer neuen Eskalation sein, sagte Liebermann der Zeitung weiter. Es gehe um die Frage, "wie verhindern wir, dass Hamas erneut seine Terrorkräfte sammelt und neue Waffen ins Land schmuggelt?". Und Deutschland als "politische Führungsnation in Europa" müsse "eine ganz entscheidende Rolle im Gaza-Konflikt einnehmen". Berlin müsse auch die Regierungen der EU-Länder an einen Tisch bringen und eine Lösung entwickeln, "um die wirtschaftliche und humanitäre Katastrophe in Gaza abzuwenden", zitierte die "Bild" den israelischen Chefdiplomaten. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten am Mittwoch - einen Tag nach Inkrafttreten einer zunächst befristeten Feuerpause - gemeinsam Hilfen für eine dauerhafte Lösung in dem Konflikt angeboten. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, es werde unter anderem vorgeschlagen, die EU-Grenzmission Eubam am Übergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen wieder aufzunehmen. Zudem könne eine internationale Überwachungsmission bei einer Vereinbarung zur Entwaffnung radikaler Gruppen im Gazastreifen helfen.

Hamas und Fatah erstmals gemeinsam

Israels drei Unterhändler reisten am Dienstag per Flugzeug nach Kairo, unter ihnen auch Amos Gilad, der bereits den Waffenstillstand nach dem Krieg 2009 aushandelte. Hamas und Islamischer Jihad kamen per Auto aus Rafah und treten erstmals mit den Fatah-Gesandten aus Ramallah als gemeinsame Delegation auf. Ganz oben auf ihrer Acht-Punkte-Liste steht ein Ende der achtjährigen Blockade des Küstenstreifens. Die palästinensische Seite verlangt einen Flug- und Seehafen, Reisefreiheit für die 1,8 Millionen Bewohner und den Wiederaufbau zerbombter Stadtviertel. Der bereits fertig gebaute Airport am Südzipfel liegt schon ewig in Trümmern. Fischerboote dürfen bisher nur vier Kilometer weit aufs Meer, sonst beschießt sie Israels Marine.
Israel wiederum verlangt ein dauerhaftes Ende des Raketenbeschusses, eine Demilitarisierung des Gazastreifens und die Entwaffnung der Hamas, was deren Vertreter rundheraus ablehnen. Dagegen scheint Premier Benjamin Netanjahu zu einer Lockerung der Blockade bereit.

Die Hamas ist nach Medienberichten bislang nicht zufrieden mit dem Verlauf der Verhandlungen und lehnt - anders als Israel - bislang eine Verlängerung der 72-stündigen Waffenruhe ab, die am Freitagmorgen endet. Es wird befürchtet, die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen könnten dann wieder beginnen. Israel droht mit Gegenmaßnahmen, sollten die militanten Palästinenserorganisationen ihre Angriffe wiederaufnehmen. „Die Armee wird dann wieder aktiv werden, und ich denke, mit größerer Wucht“, sagte Kommunikationsminister Gilad Erdan dem israelischen Rundfunk am Donnerstag.

Kairo will Grenze nur für einen Spalt öffnen

Auch Ägypten scheint sich zu bewegen und geht diesmal diplomatisch professioneller zu Werke. Vor vier Wochen hatte Präsident Abdel Fattah al-Sisi eine erste Waffenruhe per Telefon mit Netanjahu vereinbart, hielt es aber nicht für nötig, auch die Hamas einzubeziehen. Inzwischen scheint die ägyptische Führung einer gewissen Öffnung ihrer Grenze zuzustimmen. Mehr jedoch nicht. Denn Kairo will nicht von Israel die Versorgung Gazas de facto zugeschoben bekommen und fürchtet ein Zusammenwachsen der radikalen Problemzonen Gaza und Sinai.

Europa und USA skeptisch

Die USA und Europa halten sich derweil im Hintergrund. Die Häme und der offene Hass, die US-Außenminister John Kerry zuletzt aus Israel entgegenschallten, hat Washington tief verstört. Auch Frankreichs Außenminister Laurent Fabius beurteilt die Aussichten skeptisch. „Israels Recht auf Sicherheit ist absolut, aber es rechtfertigt nicht das Töten von Kindern und das Abschlachten von Zivilisten“, sagte er. „Eine politische Lösung ist unabdingbar – und sollte beiden Seiten von der internationalen Gemeinschaft aufgezwungen werden.“ (mit AFP/dpa)

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