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Verhandlungserfolg: Ein bisschen Frieden in Kenia

Am Anfang stand eine Wahl mit großen Hoffnungen. Zwei Monate später lautet die Bilanz: 1500 Tote. Am Donnerstag haben Präsident Kibaki und Oppositionsführer Odinga endlich den ersten Schritt getan, damit wieder Frieden einkehren kann.

Am Anfang stand eine Wahl, an der Millionen Menschen mit großen Hoffnungen und noch größerer Geduld teilgenommen haben. Zwei Monate später lautet die Bilanz: 1500 Tote, knapp eine halbe Million Vertriebene und ein Land, das nahezu ethnisch entmischt ist. Zwei Monate haben gereicht, aus Kenia, einem der stabilsten Länder Afrikas, eine traumatisierte Nation zu machen. Am Donnerstag haben Präsident Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga endlich den ersten Schritt getan, damit wieder Frieden einkehren kann. Dafür haben sie die Hilfe des erfahrensten Diplomaten der Welt gebraucht: Ohne die Vermittlung des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan würde Kenia weiter im Chaos versinken.

Die Kenianer haben wochenlang auf diesen Moment gewartet. Nachdem Kibaki und Odinga den Pakt zur Machtteilung unterzeichnet hatten, gingen die Menschen an vielen Orten auf die Straßen – diesmal, um zu feiern, dass ihre politische Elite endlich ein bisschen Einsicht gezeigt hat. Alle hoffen, dass das Leben nun endlich weitergehen kann. Doch das ist eine Illusion.

Kofi Annan hat zu Recht gewarnt, dass die „Reise gerade erst beginnt“. Jetzt sei es an Kibaki und Odinga, „die Nation zu heilen“. Da werden sie alle Hände voll zu tun haben. Raila Odinga hat in seiner ersten Rede als designierter Premierminister zumindest erwähnt, dass viele „getötet, verwaist, verwitwet und vertrieben“ wurden. Allerdings gab er auch zur Kenntnis, dass dies etwas sei, „was Länder zeitweise durchstehen müssten“. Kibaki wiederum bewies der Nation aufs Neue, dass er noch immer nichts begriffen hat: Sein Appell ist, dass Kenia eine „fürsorgliche Nation“ werden soll. So ein Satz wäre vor der Wahl angebracht gewesen. Immerhin haben vom kenianischen Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nur die wenigsten profitiert. Die Hälfte der Menschen lebt unter der Armutsgrenze.

Die internationale Gemeinschaft sollte in ihrer Aufmerksamkeit jetzt nicht nachlassen. Vor fünf Jahren waren Kibaki und Odinga schon einmal an diesem Punkt. Sie hatten sich auf eine Machtteilung geeinigt, dafür gingen sie gemeinsam in den Wahlkampf und gewannen. Damals hat Kibaki alle Versprechen gebrochen. Kenia hat die neue Verfassung nicht bekommen, die bereits einen Premierminister enthielt. Und die Regierung hat, statt die Korruption zu bekämpfen, selbst die Taschen aufgehalten. Es ist ja kein Zufall, dass die Kenianer das halbe Kabinett Kibaki am 27. Dezember aus dem Amt gewählt haben.

Wenn die internationale Gemeinschaft ein Interesse daran hat, dass Kenia wieder ein stabiler Faktor am unruhigen Horn von Afrika wird, sollte sie die beiden Politiker nicht aus den Augen lassen. Der Deal vom Donnerstag löst noch kein einziges Problem. Er ist lediglich die Grundlage dafür, dass sich diese Probleme nicht weiter verschärfen. Es ist an Raila Odinga, einen großen Schritt auf die Ethnie Kibakis, die Gikuyu, zuzugehen. Er muss sie einladen, in ihre Heimat im Westen des Landes zurückzukehren. Und da Odinga bei seinen Luos einen Stand hat, der einem Volkshelden recht nahekommt, könnte er so beweisen, dass es ihm Ernst ist mit der Wiedervereinigung der Kenianer.

Raila Odingas Wort kann im Westen des Landes für die Sicherheit der vertriebenen Gikuyu und indischstämmigen Kenianer bürgen. Ähnliches gilt für die Luos, Luyahs und Kiisi, die aus den Blumenfarmen im Rift Valley vertrieben worden sind. Diese Menschen muss Mwai Kibaki zurückholen. Im nördlichen Rift Valley rund um Eldoret dagegen, wo es die schlimmsten Übergriffe gab, dürfte das zunächst unmöglich sein. Mindestens 300 000 Menschen müssen eine neue Heimat und eine neue Existenzgrundlage finden. Dafür ist mehr als eine solide Wirtschaftspolitik nötig, wie sie Kibaki in den vergangenen fünf Jahren gemacht hat.

Es ist an der politischen Elite, den Kenianern Versöhnung vorzuleben. Der Deal jetzt war noch nicht der Startpunkt für die Rückkehr der Vertriebenen und schon gleich gar nicht für die Rückkehr verunsicherter Touristen.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

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