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Politik: "Verkappte Wahlmonarchen" oder politische Ideengeber?

"Aufsichtsratsvorsitzender oder Frühstücksdirektor?" Mit dieser Frage setzt sich August Böckmann in seinem humorvollen Bändchen "Vatertag - Mit dem Grundgesetz unterm Arm nach Bonn" im Blick auf Amt und Funktion des Bundespräsidenten auseinander.

"Aufsichtsratsvorsitzender oder Frühstücksdirektor?" Mit dieser Frage setzt sich August Böckmann in seinem humorvollen Bändchen "Vatertag - Mit dem Grundgesetz unterm Arm nach Bonn" im Blick auf Amt und Funktion des Bundespräsidenten auseinander.Der Bonner Historiker Hans-Peter Schwarz spricht von "verkappten Wahlmonarchen", die in der Geschichte der Republik "aus der Not eine Tugend gemacht" und, wie Thomas Ellwein konstatiert hat, das zugesprochene Amt zuvorderst auf die eigene Person bezogen haben.

Sieben Bundespräsidenten hatte die Bundesrepublik in ihrer jetzt 50jährigen Geschichte: Theodor Heuß (FDP/zwei Amtsperioden), Heinrich Lübke (CDU/2), Gustav Heinemann (SPD), Walter Scheel (FDP), Karl Carstens (CDU), Richard von Weizsäcker (CDU/2) und Roman Herzog (CDU).Eine häufig wiederkehrende Klage über die zunehmende "Entpolitisierung des Amtes" dürfte bei den lebenden bisherigen Amtsinhabern auf Widerspruch stoßen.Haben sie doch den "Ruck" durch die Gesellschaft zu befördern getrachtet und in unterschiedlicher intellektueller Begabung den Versuch unternommen, in vielen Grundsatzfragen politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ordnung Orientierung zu geben.

Erster Bundespräsident wurde der Liberale Theodor "Papa" Heuß, der so gemütlich wirkende Schwabe, einer der Erzväter der neuen deutschen Verfassung.Im zweiten Wahlgang setzte er sich am 12.September 1949 gegen den SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher durch.Schumachers Wahl, das war seinerzeit die Befürchtung, hätte politisch polarisierend gewirkt.Das Votum für Heuß indessen bewirkte in den Anfangstagen der jungen deutschen Demokratie, "die Präsenz des überparteilichen Organs rascher als erwartet im öffentlichen Bewußtsein zu verankern".Heuß prägte, auch für die Nachfahren, das Amt als repräsentierender, redender und reflektierender Bundespräsident.

Es gab nicht wenige, die der zehnjährigen Amtszeit des Schwaben mit Hilfe einer Grundgesetzänderung eine weitere fünfjährige Amtszeit hatten hinzufügen wollen.Aber dagegen sträubte sich der Amtsinhaber selbst.Obwohl er ziemlich vergrätzt sehen mußte, wie Bundeskanzler Konrad Adenauer 1959 mit dem Amte spielte, es für sich reklamierte und dann wieder fallen ließ.Um damit den Weg freizugeben für den Bundeslandwirtschaftsminister Heinrich Lübke (CDU), der sich gegen Carlo Schmid (SPD) durchsetzte.

Lübke - ein Verlegenheitskandidat, der 1959 wohl auch zur eigenen Überraschung ins Amt kam.Ein Politiker, über den Heuß herablassend schrieb: "Ein sehr ehrenwerter Mann.Seine Frau, früher Studienrätin, kann Sprachen und lernt jetzt russisch...".Aber der dickschädelige Sauerländer Lübke war gewillt, eigene Politik zu machen.Und das führte nur zwei Jahre nach seiner Wiederwahl im Jahr 1966 zur großen Koalition.Denn in die zweite Amtsperiode hatte Lübke einzig der Verzicht der SPD auf eine erneute - aussichtsreiche (!) - Kandidatur von Carlo Schmid gebracht...

Von der Großen zur sozialliberalen Koalition.Am 5.März 1969 standen Gerhard Schröder (CDU) und Gustav Heinemann (SPD) im Wettstreit.Erstmals brauchte es drei Wahlgänge.Und dann war zum ersten Mal ein Sozialdemokrat Bundespräsident, mit den Stimmen der SPD - und den meisten der FDP.Das war der "Bürgerpräsident", den Heinrich Böll "den Radikalen im öffentlichen Dienst" nannte.Eigenwillig, spröde, belehrend versah er seine Aufgabe."Seine Staatsbesuche verstand er als Bußgänge", hieß es seinerzeit.

Ihm folgte der leibhaftige Kontrast, im Jahre 1974, mit dem bisherigen Außenminister Walter Scheel (FDP), dem Richard von Weizsäcker (CDU) am 15.Mai 1974 unterlag.Der lebensfrohe Politiker mit der Gabe, Inneres nach außen zu kehren, sangesfreudig dabei - "Hoch auf dem gelben Wagen" - war wohl im Präsidentenamt Begründer des "Infotainment".

Das suchte auf seine nordisch spröde Art dessen Nachfolger Carl Carstens (CDU) - schon im ersten Wahlgang am 23.Mai 1979 gegen Annemarie Renger (SPD) Wahlgewinner - nachzuvollziehen.Von ihm blieb die Erinnerung an äußerste Korrektheit und eine Öffentlichkeitsarbeit, die er gerne auf Schusters Rappen zu betreiben suchte: Mit offiziell registrierten 1124 Wanderkilometern.

Richard von Weizsäcker (CDU), im zweiten Anlauf am 1.Juli 1984 gegen die Schriftstellerin und Zählkandidatin Luise Rinser auf dem Ticket der Grünen und dann 1989 ohne einen einzigen Gegenbewerber, hat dem Amt nach einer Phase der Beliebigkeit wieder neue Autorität verschafft.Nicht nur mit seiner - zu kollektivem Erinnern mahnenden - Rede zum 8.Mai 1945.In seine Amtszeit fiel die Vereinigung; er war erster Präsident aller Deutschen.Das versprach am 23.Mai 1994 auch der Nachfolger: "Herzog will Präsident aller Deutschen sein", hießen die Schlagzeilen.Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Gewinner nach drei Wahlgängen gegen Johannes Rau, war zunächst "zweite Wahl" in der Folge der Kandidatur des ostdeutschen CDU-Politikers Steffen Heitmann - der dann schließlich zum Rückzug gezwungen wurde.Den Makel verscheuchte Herzog rasch.

KLAUS J.SCHWEHN

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