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Verkehrsminister Peter Ramsauer.

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Verkehrsminister Peter Ramsauer: Verwandtenaffäre? - "Die Leute können es nicht mehr hören"

Verkehrsminister Peter Ramsauer spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Verwandtenaffäre, die CSU im Wahlkampf und Berlins Bauprojekte.

Herr Ramsauer, sind Sie zufrieden damit, wie es jetzt am Flughafen mit dem neuen Geschäftsführer Hartmut Mehdorn und seinen Ideen läuft?
Die Lage hat sich erheblich verbessert im Hinblick auf unser Ziel, den Flughafen BER möglichst bald in Betrieb zu nehmen. Im Januar dieses Jahres habe ich ein Anforderungsprofil für einen neuen Geschäftsführer definiert. All das haben wir in Herrn Mehdorn gefunden. Er zeigt Optionen auf. Mit der neuen Geschäftsführung laufen die Dinge jetzt in geordneten Bahnen.

Auch wenn Herr Mehdorn manchmal eigenwillige Gedanken entwickelt – wie einen Weiterbetrieb von Tegel oder ein Aufweichen beim Schallschutz?
Wir wollten auf diesem Stuhl keinen „Einfaltspinsel“, sondern einen Querdenker, der nichts mehr zu befürchten hat und vor Ideen nur so sprudelt. Über die Vorschläge muss man dann unaufgeregt mit ihm sprechen. Klar ist aber: Oberstes Ziel muss sein, den BER in Betrieb zu nehmen.

Mit welchen Überraschungen dürfen wir dann noch rechnen?
Ich lebe nicht in ständiger Angst davor, dass der Chef eines solchen Unternehmens Ideen entwickelt. Lieber fünf Ideen zu viel als drei zu wenig. Natürlich ist dort die eine oder andere Überraschung dabei. Aber wenn sie sich in den vordefinierten Leitplanken bewegen, ist dies doch in Ordnung. Es darf keine Denkverbote geben.

Wie stehen Sie dann zum von Mehdorn angeregten Weiterbetrieb von Tegel?
Zunächst sage ich ganz klar: Was die Mitarbeiter in Tegel jetzt leisten, ist sagenhaft. Und wenn wir von Weiterbetrieb reden: dieser findet bereits seit Oktober 2011 statt. Damals sollte der BER ursprünglich in Betrieb gehen. Seither gibt es einen Weiterbetrieb.

Wann wird Tegel nun aber geschlossen?
Das kann ihnen heute noch kein Experte sagen. Kein vernünftiger Mensch kann aber etwas dagegen haben, sollte tatsächlich Schritt für Schritt zum BER umgezogen werden, der der einzige Flughafen der Region sein wird. Das kann drei, sechs oder auch neun Monate dauern. Herr Mehdorn wird einen konkreten Zeitplan vorlegen. Bei gutem Willen wird sich eine Lösung finden. Aber so weit sind wir noch nicht.

Was halten Sie von der Idee, die Flugbereitschaft der Bundesregierung in Tegel zu lassen, um so den Flugbetrieb durch die Hintertür fortsetzen zu können?
Viele meiner Kollegen sprechen mich darauf an. Doch das ist auch eine ökonomische Frage. Denn selbst wenn man nur ein paar Flüge in Tegel ließe, muss man den gesamten Service bereit halten. Und man muss auch bei Tegel an die betroffenen Anwohner denken. So bestechend wie die Idee im ersten Moment klingt, die übrigens nicht neu ist, wird sich am Ende der gesamte Verkehr zum BER verlagern.

Die Diskussion ist aufgekommen, weil Kritiker sagen, der BER sei zu klein geplant.
Nein. Der Flughafenstandort Berlin hat zwar jetzt bereits 25 Millionen Passagiere pro Jahr erreicht und wird weiter wachsen. Aber wenn der BER einmal läuft, werden wir dort auch mehr als die rechnerisch ermittelten 28 Millionen Passagiere pro Jahr bewältigen. Die Leistungsfähigkeit von Flughäfen sehen wir doch gerade am Beispiel Tegel.

Einen Dissens mit Mehdorn soll es auch bei der Sanierung der Nordbahn am BER geben, die Mehdorn nun doch erst nach der Inbetriebnahme ausführen lassen will, während die Gesellschafter angeblich für einen sofortigen Baustart sind.
Die von Matthias Platzeck aufgebrachte Idee, die Zeit der Verschiebung zu nutzen, um die Nordbahn in einem Guss zu sanieren, finden wir vernünftig Es gibt aber eine Vielzahl von betrieblichen Aspekten zu berücksichtigen. Das sind operative Fragen und die Geschäftsführung wird den Gesellschaftern hierzu mögliche Antworten präsentieren.

Müssten im Aufsichtsrat auch Experten sitzen?
Der Aufsichtsrat ist gut besetzt. Der Staatssekretär meines Hauses, Rainer Bomba, ist zum Beispiel Kaufmann und Ingenieur. Klar ist, dass die Gesellschafter mit guten Leuten vertreten sein müssen. Denn im Aufsichtsrat werden Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte haben. Und damit auf das Geld der Steuerzahler.

Ist Matthias Platzeck der falsche Mann für den Chefposten?
Keinesfalls. Er macht einen guten Job.

Ramsauer fordert Kostenklarheit und Kostenwahrheit von Anfang an.

Sie stehen in der Verantwortung beim Bau des Humboldtforums. Garantieren Sie, dass es beim Schlossaufbau besser läuft als beim Flughafen?
Da habe ich wirklich ein gutes Gefühl. Beim Berliner Schloss gilt, was ich immer für Großprojekte gefordert habe: Kostenklarheit und Kostenwahrheit von Anfang an. 2007 hat der Deutsche Bundestag die Obergrenze mit 552 Millionen Euro beschlossen. Wenn  man die jährlichen Indexsteigerungen hinzurechnet sind wir bei 590 Millionen. Das ist genau im Rahmen dessen, was der Beschluss vorschreibt. Der Bau der Kuppel steht unter dem Vorbehalt, dass das erforderliche Spendenaufkommen erreicht wird. Insofern haben wir dieses Großprojekt des Bundes im Griff.

Sie sind also ganz zuversichtlich, bei den Kosten und beim Termin im Plan zu bleiben?
Ja, es sei denn, es kommen wieder zig Sonderwünsche obendrauf. Die kann man äußern, aber dann muss jeder sagen, wie er sie finanzieren will. Und was die Fertigstellung angeht: Das einst mit preußischen Geldern finanzierte Schloss Herrenchiemsee in meiner Heimat ist im Nordtreppenportal bis heute nicht fertig. Aber trotzdem eine Touristen-Attraktion. Und es steht unter Denkmalschutz. Aber so weit werden wir es am Berliner Schloss nicht kommen lassen.

…das jetzt mit Geld auch aus Bayern wiederaufgebaut wird.
Für mich ist das eine historische Reminiszenz. Meine Heimat konnte mit preußischen Geldern ein Königsschloss bauen. Jetzt kann ich als Bauminister aus Bayern den Berlinern im übertragenen Sinne ihr Schloss zurück geben.

Ist das Berliner Schloss das erste Großprojekt, für das Ihre neuen Vorgaben – Kostenklarheit und Kostenwahrheit - gelten?
Dazu gehört auch das Besucherzentrum für den Reichstag. Der Bundestag hat gemeint, die unterirdische Anlage könne man für höchstens 200 Millionen Euro bauen. Meine Fachleute haben genau nachgerechnet und kamen auf mehr als 300 Millionen Euro. Dabei waren die Risiken durch das komplizierte Bauen und die Baupreissteigerungen noch gar nicht berücksichtigt, mit denen man auf bis zu 500 Millionen Euro gekommen ist. Und da habe ich gesagt: Kommando zurück. Es muss alles im Kostenrahmen bleiben. Im Interesse der Steuerzahler.

Und geht es billiger?
Dieser Appendix kann jedenfalls nicht teurer werden als der Umbau des Reichstags in den 90er Jahren selbst. Dann wäre die Soße ja teurer als der Braten.

Gilt dies auch für die Verlängerung des Daches am Hauptbahnhof?
Ich bin da seit einigen Wochen im engen Austausch mit Bahnchef Grube. Die Bahn muss ermitteln, welche Kosten entstünden und wie lange die Strecke gesperrt werden müsste. Ich will, dass die Bahnführung die Fakten klipp und klar vorlegt und danach entscheidet.

Wer müsste bei einer Verlängerung die Kosten übernehmen? Der Bund oder die Bahn?
Wir müssen erst einmal wissen was es genau kostet, bevor man über solche Details spricht. Der Berliner Hauptbahnhof ist allerdings grundsätzlich ein Bahnhof wie viele andere in Deutschland. Es gibt mehr als 5000 Bahnhöfe bundesweit, große und kleine. Es darf nicht passieren, dass die Leute in ganz Deutschland lesen,  in Berlin wird der „Prunkbahnhof“ erweitert und gleichzeitig sehen, dass der Bahnhof in ihrer Stadt viel dringender saniert werden müsste.

Investiert die Bahn hier insgesamt zu wenig?
Wir stellen mit dem Finanzierungskreislauf Schiene für die Jahre 2012-2015 eine Milliarde zusätzliche  Mittel zur Verfügung. Natürlich könnte man mehr investieren, vor allem im Bereich des Erhalts des Schienennetzes. Dafür wären mehr als die gegenwärtig 2,5 Milliarden Euro nötig. Deshalb haben wir vor kurzem beschlossen, für 2013 und 2014 insgesamt 500 Millionen Euro extra ins Bestandnetz zu investieren. Hier muss ich aber auch sagen, dass die Bahn unter der Führung von Grube deutlich mehr aus ihrer Innenfinanzierung reinvestiert als in früheren Jahren.

Gibt es auch Geld für den Ausbau der Dresdner Bahn in Berlin, falls es irgendwann einmal ein Baurecht geben sollte?
Um dieses Projekt wird viel gestritten. Die Planungen laufen seit mehr als zehn Jahren. Wir sind mit der Bahn und den Bürgern im Gespräch. Wenn man in Lichtenrade einen Tunnel bauen möchte, kostet das mehr Geld. Bund und Bahn allein können das nicht stemmen. Hier erwarte ich, dass der rot-schwarze Koalitionsvertrag in Berlin mit Leben gefüllt wird.

Wie beim Weiterbau der Autobahn A 100?
Die Strecke wird teuer, weil sie durch bebautes Gebiet läuft – mit Tunnel und Troglage, um die Anwohner vor Lärm zu schützen. Der erste Spatenstich in der vergangenen Woche war ein aber Zeichen dafür, dass man in Berlin, mitten in der Stadt, die notwendige Infrastruktur bauen kann.

Über die Kritik der Medien an der CSU regt sich Ramsauer schon gar nicht mehr auf.

Sie sind ja nicht nur Minister, sondern auch Parteipolitiker. Vor ihrer Beschäftigungsaffäre in Bayern galt die CSU als verlässliches Pfund der Union. Jetzt sehen Meinungsforscher Ihre Partei als Merkels „Schwachpunkt“. Lässt sich das vor der Wahl noch drehen?
Wenn ich sehe, wie einige Medien momentan gegen die CSU anschreiben, regen mich solche Äußerungen schon gar nicht mehr auf.

Auch ihr Parteichef erwartet eine „Delle“ bei den Zustimmungswerten...
Natürlich ist das kurzfristig nicht auszuschließen. Das gilt aber auch für SPD, Grüne und Freie Wähler, die in Bayern ebenfalls Eheleute und nahestehende Verwandte beschäftigt haben. Aber die Leute sagen andererseits auch: Wir können’s nicht mehr hören. Das mag zwar alles nicht ganz in Ordnung gewesen sein. Aber so schlimm war’s auch wieder nicht. Bayern ist übrigens das einzige Land, das mit der CSU quasi eine eigene Partei in Berlin hat. Und die Verdienste der CSU in Berlin honorieren die Menschen.

Sie hoffen auf eine Trotzreaktion der Wähler – zugunsten der CSU?
Es geht nicht um Trotz. Die Menschen sollen uns aus Überzeugung wählen.

Ihr Parteichef scheint das anders zu beurteilen. Er will seinen einstigen Fraktionschef nicht mehr im Landtag sehen und hat seine betroffenen Minister zu fünfstelligen Rückzahlungen veranlasst...
Ich enthalte mich da jeden Kommentars. Die Thematik geht den Bayerischen Landtag etwas an. Und die Kollegen dort haben gerade neue Regeln zur Beschäftigung von Verwandten beschlossen.

Wir nehmen an, dass Sie Horst Seehofers Idee, die CSU-Abgeordneten einen Ehrenkodex unterschreiben zu lassen, auch nicht für sehr glücklich halten.
Das stimmt nicht. Ich konzentriere mich auf Berlin. Und da finde ich, dass der Bundestag mit seinen Vorgaben für Abgeordnete – etwa was Nebentätigkeiten und Veröffentlichungspflichten betrifft – bereits klare Regeln gefunden hat.

Was sind denn die Themen, mit denen die CSU bei den bevorstehenden Wahlen punkten will? Außer dem Betreuungsgeld als Alleinstellungsmerkmal...
Wir stehen für Verlässlichkeit. Die Menschen wissen, dass ihre Anliegen bei uns in guten Händen liegen. Von der Währungspolitik über die wirtschaftliche Stabilität bis hin zur Tatsache, dass es bei uns in Bayern kaum Jugendarbeitslosigkeit gibt. Und beim Thema Pkw-Maut sind in Bayern 80 Prozent dafür. Weil wir auch ausländische Autofahrer aus den Kosten der Infrastruktur beteiligen wollen – bei gleichzeitiger Kompensation für deutsche Autofahrer. Wir bekommen diese Forderung zwar nicht in ein gemeinsames Wahlprogramm geschrieben...

Weil die Kanzlerin nicht mitzieht...
Ach, wissen Sie: Wenn die CDU, wie vom Parteitag beschlossen, statt 20 Milliarden Euro in der nächsten Legislaturperiode 25 Milliarden für den Straßenbau vorsieht, ist mir das auch recht. Das wäre sogar der einfachere Weg, um für die erforderliche Infrastruktur zu mehr Geld zu kommen. Davon hängt schließlich auch die Leistungskraft unserer Wirtschaft ab.

Das Gespräch führten Klaus Kurpjuweit und Rainer Woratschka.

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