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Politik: Verkürzte Rede

Beim Thema Religion ist Jürgen Rüttgers nach seinem Fauxpas zurückhaltend – die Kritik verstummt nicht

In seiner Standardrede fehlt dieser Abschnitt. Wo immer Jürgen Rüttgers in diesen Tagen um Wählerstimmen für den Urnengang am 22. Mai wirbt, spielen die Religion und der Katholizismus keine Rolle. Allenfalls wenn er spürt, dass das Publikum die eine oder andere Schlagzeile der vergangenen Tage noch nicht vergessen haben könnte, lässt er beiläufig einfließen: „Das Bekenntnis zum christlichen Menschenbild ist keine Überheblichkeit.“ An solchen Stellen applaudieren sie ihm fast dankbar, denn bis in die eigenen Reihen hinein hatte er mit seinen missverständlichen Sätzen für Irritationen gesorgt, und der politische Gegner hatte dies weidlich ausgenutzt.

Rüttgers hatte in der N24-Sendung „Studio Friedman“ gesagt, er glaube, „dass unser christliches Menschenbild das richtige ist und nicht vergleichbar ist mit Menschenbildern, die es anderswo auf der Welt gibt“. Auf die Frage, ob die katholische Kirche und ihr Menschenbild anderen Religionen überlegen sei, antwortete Rüttgers: „Ich glaube, dass es das Richtige ist, wenn Sie wollen auch ,überlegen’.“

In den Kirchen hat sich die Debatte nur vordergründig beruhigt. „Das ist jetzt kein Thema mehr“, antwortet der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, inzwischen auf Fragen nach den Worten Rüttgers, allerdings hatten sie ihn auch aufgeschreckt. „Jeder hat das Recht, seinen Glauben für den richtigen zu halten“, sagte Spiegel dem Tagesspiegel, „aber das berechtigt niemanden, den eigenen Glauben über den anderen zu setzen“. Wenig später fügt er noch den Hinweis hinzu: „Wer über den Katholizismus spricht, darf die jüdischen Wurzeln niemals vergessen.“ Am Ende fällt noch ein Satz, der nur auf den ersten Blick eine Entlastung für Rüttgers darstellt: „Da ich ihn kenne, habe ich zunächst gedacht, er ist missverstanden worden, vielleicht ist er in eine Falle getappt.“

Die Muslime beobachten Rüttgers und seine religiösen Ansichten ebenfalls kritisch. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, gibt ihm einen Rat mit auf den Weg: „Die Frage, welche Vorzüge der Katholizismus vor dem Protestantismus, dem Judentum oder dem Islam hat, sollten Spitzenpolitiker den Theologen überlassen.“

Bei den Protestanten hatte Rüttgers unmittelbar nach den ersten Meldungen über seine umstrittenen Äußerungen in dem Fernsehinterview noch Unterstützung organisiert. Aus der CDU-Parteizentrale wurde ein Fax des evangelischen Arbeitskreises in der CDU lanciert, in dem Rüttgers vor den Angriffen in Schutz genommen wurde und man sich darüber freute, dass ein Politiker sich eindeutig zum christlichen Menschenbild bekennt.

Hinter den Kulissen wird darüber allerdings zum Beispiel in der evangelischen Kirche Westfalens kräftig gerungen, denn dort hatte weniger der Bezug auf das christliche Menschenbild als vielmehr die Überlegenheit des katholischen Glaubens hellhörig gemacht. Alle nachträglichen Versuche, die Unterscheidung zu verwischen, verfangen dort nicht. „Das ist der hilflose Versuch, Schadenbegrenzung zu betreiben“, urteilt einer der Verantwortlichen aus Bielefeld, der es allerdings vorzieht, ungenannt zu bleiben, weil er den Konflikt nicht weiter anheizen möchte.

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