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Regulär oder nicht? Ein-Euro-Jobs sollen zusätzliche, im öffentlichen Interesse stehende Tätigkeiten sein, die den Wettbewerb nicht verzerren. Bei Reinigungsarbeiten etwa ist das nicht so eindeutig.

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Vermittlungsproblem: Ein-Euro-Jobs: Rechnungshof klopft der Regierung auf die Finger

Der Bundesrechnungshof kritisiert die Ein-Euro-Jobs, weil durch sie reguläre Arbeitsplätze ersetzt werden. Die Agentur für Arbeit will künftig besser kontrollieren.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Seit Jahren ist der Bundesrechnungshof unzufrieden mit den staatlich geförderten Ein-Euro-Jobs – jetzt hat die Prüfbehörde der Bundesregierung erneut auf die Finger geklopft. Denn die meisten der an Arbeitslosengeld-II-Bezieher vermittelten „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“, wie die Jobs im Verwaltungsdeutsch korrekt heißen, erfüllten nicht die geforderten Voraussetzungen, sie sind, wenn man es zuspitzen mag, ungesetzlich.

Rund 275 000 Ein-Euro-Jobber gab es im Oktober dieses Jahres. Jeder erhält in der Regel zwischen einem und zwei Euro pro Stunde zusätzlich zu Arbeitslosengeld II und Wohnungs- und Heizkosten – und er taucht nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf. Einkaufen für Alte, Vorlesen in der Kita, Hilfen in der Pflege – die Jobs sind vielfältig, aber umstritten. Denn sie sind an bestimmte Bedingungen geknüpft. So sollen sie im öffentlichen Interesse liegen, müssen zusätzliche Tätigkeiten sein, dürfen sich also nicht auf Pflichtaufgaben etwa der Kommunen erstrecken, und sie dürfen den Wettbewerb nicht dadurch verzerren, dass sie anderen Unternehmen Konkurrenz machen. Bei mehr als der Hälfte der vom Bundesrechnungshof geprüften Fälle verstießen die Arbeitsgelegenheiten gegen diese Kriterien. Jobcenter hätten ihren Kunden häufig ohne weitere Beratung wahllos Arbeitsgelegenheiten zugewiesen. Weil Voraussetzungen für die staatliche Förderung nicht ausreichend geprüft worden seien, seien ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt ersetzt worden. Vermittlungshemmnisse von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen seien nicht abgebaut worden, stellte der Bundesrechnungshof fest.

Die Bundesagentur für Arbeit verweist darauf, dass 2009 begonnen worden sei, an den Jobcentern und in den Argen, den Arbeitsgemeinschaften von Arbeitsagenturen und kommunalen Trägern, Beiräte zu bilden, die vor allem darüber wachten, dass reguläre Arbeit nicht verdrängt werde. Weil der Gesetzgeber einerseits einen engen Rahmen für die Tätigkeiten festgelegt, zum anderen aber Kriterien wie die Zusätzlichkeit nicht genau definiert habe, sei es schwierig, den Vorgaben eindeutig zu entsprechen, sagte ein Sprecher der Bundesagentur dem Tagesspiegel. Außerdem müsse klar sein, dass Ein-Euro-Jobs nicht dazu da seien, jemanden auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Vielmehr gehe es darum, Menschen zu stabilisieren, die teilweise schon sehr lange einer regelmäßigen Arbeit entwöhnt seien. Etwa 80 Prozent der Ein- Euro-Jobber hätten sehr schwierige Voraussetzungen, wieder in Arbeit zu kommen, nur bei etwa 15 Prozent gelinge es.

Obwohl auch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anette Kramme, die Ein-Euro-Jobs nicht als Instrumentarium verstanden haben will, das direkt in den ersten Arbeitsmarkt hineinführt, sieht sie durchaus Defizite. „Um zielgenauer vermitteln zu können, braucht es einfach mehr Arbeitsvermittler“, sagte Kramme dem Tagesspiegel. Dass derzeit auf einen Vermittler rund 150 Kunden kämen, sei nicht akzeptabel. Angestrebt werden müsse ein Verhältnis von 1:70. Außerdem müssten Ein-Euro- Jobs länger dauern. Wenn derzeit sechs Monate die Regel seien, genüge das oft nicht, um die Betroffenen sozial zu aktivieren. Um das Instrumentarium aufzuwerten, solle es überdies auf Freiwilligkeit basieren und „nicht zum Austesten der Arbeitsbereitschaft“ genutzt werden, sagte Kramme. Und damit Ein-Euro-Jobs nicht zu Dumpinglöhnen und die Ersetzung regulärer Arbeitsplätze führen, fordert sie einen Zustimmungsvorbehalt für Gewerkschaften und Kammern.

In der schwarz-gelben Regierung sei ohnehin vereinbart, alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente zu optimieren, sagte Johannes Vogel, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Die Kritik des Bundesrechnungshofes bestätige nur diese Notwendigkeit. Dass es eine Möglichkeit wie die Ein-Euro-Jobs auch künftig geben müsse, um Menschen wieder an Arbeit heranzuführen, steht auch für den FDP-Mann nicht infrage.

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