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Nach langer Zeit hatte Julian Assange wieder einen großen Auftritt. In London kündigte er die Veröffentlichung von fünf Millionen Mails des Analysedienstes Stratfor an - die am Montag auch begann.

© Reuters

Veröffentlichung auf Wikileaks: Stratfor-Analysten lästern in Mails über Assange

Wikileaks veröffentlicht, wie angekündigt, interne Mails des Analysedienstes Stratfor. Darin wird Julian Assange beschimpft, bekämpft aber auch entlastet. Für einige Politiker könnten die Mails peinlich werden.

Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht interne E-Mails der US-Firma Stratfor – dabei treten immer mehr sensible Details ans Tageslicht. Die Texaner liefern Analysen zur geopolitischen Lage an weltweit operierende Konzerne sowie an Behörden, beispielsweise das US-Heimatschutzministerium und den Militärgeheimdienst DIA. Chef des 1996 gegründeten Unternehmens ist der in Ungarn geborene George Friedman.

Einen Schwerpunkt der bislang ins Netz gestellten Korrespondenzen bilden Mails, die Wikileaks selbst sowie seinen Gründer, den umstrittenen Kämpfer für Transparenz, Julian Assange, betreffen. „Er ist ein weltfremder Friedensaktivist. Sein Kopf sollte in eine benutzte Toilettenschüssel in Guantánamo getunkt werden“, schreibt ein Stratfor-Analyst, der sich in einer weiteren Mail darüber freut, dass Assange „im Knast eine gute Braut abgeben wird“. Die Firma selbst äußert sich nicht und hat lediglich mitgeteilt, dass einige Mails gefälscht sein könnten, während andere vermutlich echt seien. Die elektronischen Briefe wurden Ende 2011 von der Hacker-Gruppe Anonymous von Stratfor-Servern geklaut.

Außer kruden Beleidigungen und Schadenfreude liefern die Mails durchaus brisante Informationen. So schreibt ein Mitarbeiter im Mai 2010 unter Berufung auf „enge Familienkontakte“, dass an den Vergewaltigungsvorwürfen einer der beiden Frauen gegen Assange nichts dran sei, hinter dem Fall stecke lediglich ein aufstiegshungriger Staatsanwalt. Offen tauschen sich Mitarbeiter im Sommer 2010 darüber aus, ob man Assange nicht „mit irgendeiner Begründung“ verhaften könnte. Wikileaks-Gründer Assange trägt derzeit eine Fußfessel und kämpft gegen eine mögliche Auslieferung von England nach Schweden – wegen eben jener Vergewaltigungsvorwürfe.

Erstaunlich an den internen Mails ist vor allem das Selbstverständnis der Stratfor-Mitarbeiter. Journalisten, Politikern und Nachrichtendiensten wird jeglicher Durchblick abgesprochen, so würde das FBI sogar „Wäschelisten und Speisepläne als top secret einstufen“. Dabei wird Stratfor selbst oft kritisiert, weil seine „Analysten“ ohne gesetzliche Grundlage oder parlamentarische Kontrolle geheimdienstliche Methoden anwenden sollen. Experte Erich Schmidt-Eenboom bestätigt den gefährlichen Trend der Auslagerung von Nachrichtendienst-Aufgaben an private Firmen: „Da gibt es eine rege personelle Fluktuation aus Politik, Militär und Nachrichtendiensten in die privaten Unternehmen.“ Im Netz wird noch viel harschere Kritik an Stratfor geäußert, die Firma wird dort als „Schatten-CIA“ und „privatisierte Stasi“ gebrandmarkt.

Wie schon bei der „Cablegate“-Affäre, als Wikileaks Depeschen US-amerikanischer Botschaftsmitarbeiter aus aller Welt veröffentlicht hat, könnten auch die aktuellen Enthüllungen wegen ungeschönter Einschätzungen aktueller Spitzenpolitiker für einige Beteiligte peinlich werden. Ein Analyst schrieb im September 2011, dass der russische Premierminister Wladimir Putin die zurzeit in einem Straflager inhaftierte Julia Timoschenko gerne in einer mächtigen Position in der Ukraine gesehen hätte, als Gegengewicht zum aktuellen Premier Janukowitsch und weil sie „die am einfachsten käufliche Person aller ukrainischen Spitzenpolitiker“ ist. Das sei auch der Grund dafür, dass sie jetzt hinter Gittern sitze.

Über Tschechiens Präsident Vaclav Klaus heißt es in einem Analyse-Leitfaden, dass man auf die von ihm ausgehende Dynamik aufpassen müsse, weil er „noch bis 2013 in seinem Amt hockt und einfach jeden hasst. Er ist wie eine geladene Waffe“. Zugleich beweist der Analyst Weitsicht, denn in dem im Juni 2009 geschriebenen Leitfaden heißt es über Griechenland: „Wir könnten sehr wohl Zeugen eines kompletten wirtschaftlichen Zusammenbruchs eines Landes der Euro-Zone werden.“ Zu diesem Zeitpunkt waren nur wenige Experten von diesem Horrorszenario ausgegangen.

Auch ein in den Stratfor-Mails erwähnter Tauschhandel zwischen Israel und Russland dürfte Wirbel auslösen. Israel habe Russland Zugangscodes für Drohnen gegeben, die nach Georgien verkauft wurden. Dafür habe Israel Codes für das iranische Luftabwehrsystem erhalten. Wikileaks-Chef Assange kündigte für die nächsten Tage weitere Enthüllungen an.

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