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Das Pentagon als Zentrale von Al Qaida? In der Türkei glauben so manche daran.

© AFP

Verschwörungstheorien in der Türkei: "Al Qaidas Zentrale liegt im Pentagon"

Nach bin Ladens Tod schießen in der Türkei Verschwörungstheorien ins Kraut. Die Staatsspitze in Ankara mag den Tod des Al-Qaida-Chefs als warnendes Beispiel für alle Terroristen begrüßen, doch in der Bevölkerung werden ganz andere Versionen gehandelt.

Die einen sagen, bin Laden lebe noch, die anderen behaupten, er sei zwar tot, aber eines natürlichen Todes gestorben. Hinter all dem steht vor allem eines, sagen Beobachter: eine starke Abneigung den USA gegenüber – die Türken trauen den Amerikanern so ziemlich alles zu. „Ich glaube das nicht“, sagt Mehmet Yildirim. Als Inhaber eines Zeitungsstands in Istanbul hat Yildirim an diesem Dienstag viele Blätter mit dem Foto des Al-Qaida-Gründers vor sich liegen. Viele Fotos – aber keines der Leiche. Das macht Yildirim ebenso stutzig wie die offiziellen Angaben über die ungewöhnliche See-Bestattung für den Terrorchef. „Die sagen, sie hätten die Leiche ins Meer geworfen. Ich glaube das nicht“, bekräftigt Yildirim. „Irgendetwas steckt da dahinter.“

Mit seiner Meinung, dass an der amerikanischen Version der Ereignisse einiges faul sei, steht Yildirim keinesfalls allein in der Türkei. Yalcin Topcu, der Vorsitzende der kleinen Rechtspartei BBP, verkündete nach seiner Rückkehr von einem mehrtägigen Besuch in Pakistan, bin Laden sei nicht am vergangenen Wochenende von US-Elitesoldaten erschossen worden. Der Terrorchef sei vielmehr schon vergangene Woche in Pakistan gestorben – allerdings friedlich an Krebs.

Auf türkischen Internetseiten kursiert derweil die Legende, bin Laden habe sogar schon im Dezember 2007 in Afghanistan infolge eines Nierenleidens das Zeitliche gesegnet. Die USA hätten den Tod ihres Erzfeindes aus propagandistischen Gründen lange geheimgehalten und zusammen mit den Briten die allermeisten Tonband-Botschaften des Topterroristen seit den Anschlägen vom 11. September 2001 selbst angefertigt. „Das Hauptquartier von Al Qaida liegt im Pentagon“, schreibt der Leser einer Internetzeitung.

Ob bin Laden nun schon lange tot ist oder erst seit dem vergangenen Sonntag – für die türkischen Verschwörungstheoretiker steht fest, dass alles einem perfiden Plan der USA entspricht. Bin Laden sei für die Amerikaner lange als Feindbild für den Krieg gegen den angeblich terroristischen Islam wichtig gewesen, kommentiert die islamistische Tageszeitung „Yeni Vakit“. Doch nun habe Washington den Chef von Al Qaida beseitigen lassen, um zu verhindern, dass er zum Helden der Volksaufstände in den arabischen Ländern wird.

Verschwörungstheorien liegen den Türken im Blut, ganz besonders wenn es um Politik, die USA oder Israel geht. Angesichts der Wikileaks-Enthüllungen im vergangenen Jahr gaben türkische Regierungspolitiker zu Protokoll, die wenig schmeichelhaften Schilderungen amerikanischer Diplomaten über die Türken seien Teil eines israelischen Komplotts. Ein nationalistischer Buchautor behauptete, der fromm-muslimische Premier Recep Tayyip Erdogan sei in Wirklichkeit ein Jude – und landete damit einen Bestseller im Land.

Begünstigt werden die Verschwörungstheorien dadurch, dass im blutigen Alltag der Türkei hin und wieder tatsächlich filmreife Komplotte ans Tageslicht kommen. So verübten Agenten eines Militär-Geheimdienstes vor einigen Jahren einen tödlichen Bombenanschlag auf einen kurdischen Buchladen, um Unruhen in der Kurdenregion zu provozieren. Und die Armee soll einen Staatsstreich gegen Erdogan geplant haben.

Solche Ereignisse haben die Folge, dass manche Türken der offiziellen Darstellung wichtiger Ereignisse grundsätzlich keinen Glauben mehr schenken. Noch heute gebe es Leute, die sicher seien, dass der vor elf Jahren von der Istanbuler Polizei vor laufenden Kameras getötete islamistische Extremist Hüseyin Velioglu am Leben sei, sagt der Autor Faik Bulut im Nachrichtensender CNN-Türk.

Hinzu kommt: „Kein Mensch traut den USA“, wie es Bulut ausdrückt. Nach einer Umfrage, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, denken zwei von drei Türken schlecht über den Nato-Verbündeten, die Vereinigten Staaten. Die Kommandoaktion in Pakistan gegen bin Laden wird an dieser Sicht der Dinge wenig ändern. „Die USA haben das von ihnen selbst geschaffene Monster vernichtet,“ kommentierte eine Zeitung den Tod des Chefs von Al Qaida.

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