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Politik: Verstehen, was passiert

Von Lorenz Maroldt

Als Klaus Wowereit noch ganz oben war, also vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, erklärte er seine durch Umfragen belegte Beliebtheit so: „Weil ich mich bemühe, Politik in einer verständlichen Sprache zu vermitteln.“ Seitdem fällt es allerdings immer schwerer, den Regierenden Bürgermeister zu verstehen. Manchmal ist er gar nicht erst zu hören, wie im Fall Biermann. Keine öffentliche Erklärung gibt es bisher vom allmächtigen Regierenden Kultursenatorenmeister, ausgerechnet in dieser überregional beachteten und zunehmend beargwöhnten Chose. Nicht einmal in der entscheidenden Sitzung seiner erst verunsicherten, dann aufmüpfigen Fraktion hat er gesprochen. Bei anderer Gelegenheit wiederum drückt sich Wowereit derartig klar aus, dass er inzwischen auf eine stattliche Zahl von Gegnern zählen kann – nicht gerade zum Nutzen der Stadt, die ihm anvertraut wurde. Bahnchef Mehdorn zählt dazu und, schlimmer, Bundeskanzlerin Merkel.

Ob Politik erfolgreich ist, wird bestimmt vom Ergebnis; Haltungsnoten werden zwar vergeben, zählen aber nicht. Der schweigende Wowereit könnte auch der souveräne sein, über den Dingen schwebend, zu groß für den kleinen Streit. Der rempelnde Wowereit könnte auch der mutige sein, erfolgreich zockend, mit mäßigem Blatt. Und eine Zeit lang war er das ja auch. Jetzt scheint sich das politische Glück von ihm abzuwenden. Wowereit wirkt beleidigt und trotzig und provoziert so nur noch mehr Ungemach. Was ist da los?

Zur selben Zeit, als Wowereit seine Vermittlungsfähigkeit rühmte, leistete er sich eine dramatische Fehleinschätzung: In Berlin seien die Aufräumarbeiten erledigt, jetzt könne er mitspielen in der Bundespolitik. Die Dinge liegen anders, was für eine Enttäuschung. Selbst ein Sieg in Karlsruhe hätte nichts daran geändert, dass auf die Stadt und damit auch auf den Senat und besonders auf den mit Richtlinienkompetenz aufgerüsteten Regierenden Bürgermeister harte Aufbauarbeit zukommt. Es reicht nicht aus, den Hauptstadtstatus im Grundgesetz zu verankern. Daraus muss etwas folgen. Es reicht auch nicht aus, bei Problemen einfach das Gras wachsen zu lassen, wie auf dem Schlossplatz, wie in Tempelhof. Und es geht schon gar nicht, mit der Ruinisierung von Kulturschätzen zu drohen, wie im Fall der Staatsoper.

Der einen Fehleinschätzung folgten weitere, unter anderem über die eigene Stärke im Verhältnis zum Bund und über den Gefolgschaftswillen der Berliner SPD. Aus der Ankündigung, bei der Gesundheitsreform mitzumischen, ist nicht viel mehr geworden als ein schaler Witz über Edmund Stoiber. Einstweilen wirkt Wowereits Anspruch auf die große Bühne wie eine bundespolitische Amtsanmaßung.

In seinen ersten Jahren als Regierender Bürgermeister hat Wowereit den Leuten viel zugemutet, aber auch viel ertragen. Das nicht ganz freiwillige Outing, die Koalition mit der PDS, die drastische Sparpolitik, allerlei schrille und auch bizarre Szenen: Er kam gestärkt aus allem hervor. Wowereits Gefühl für die tatsächliche Lage – seine eigene, die seiner Partei und die seiner Stadt – wurde aber gerade deswegen zunehmend schwächer. Sein zuweilen erfrischend unbekümmerter Pragmatismus stößt nun an Grenzen. Die Dinge beginnen, an Wowereit vorbeizulaufen. Das muss nicht so bleiben. In den Richtlinien des Senats heißt es: Berlin werde als guter Dienstleister stets den Konsens suchen. Ein gutes Motto. Auch und gerade für Klaus Wowereit.

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