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Versuchte Anschläge: Polizei sucht weiter nach Komplizen

Nach der Festnahme eines der beiden verdächtigten Bahn-Bombenleger wird weiter unter Hochdruck nach seinem Komplizen gefahndet. Unterdessen erließ die Bundesanwaltschaft einen Haftbefehl gegen den 21-jährigen Youssef Mohamad.

Berlin/Kiel - Zugleich erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am Sonntagabend gegen den ersten Verdächtigen Haftbefehl wegen versuchten vielfachen Mordes. Außerdem wird er der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt. Der 21-jährige Libanese war Samstagmorgen in Kiel gefasst worden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach angesichts des Falls von einer "ungewöhnlich ernsten" Sicherheitslage und forderte schärfere Gesetze.

Die Bundesanwaltschaft teilte mit, gegen den in Kiel lebenden Youssef Mohamad E.H. sei Haftbefehl erlassen worden. Der Student hatte bei seiner Festnahme einen Koffer dabei und versuchte laut Behörden, sich abzusetzen. Der Verdächtige sei durch Videoaufnahmen identifiziert worden, die das Zusammentreffen mit dem zweiten Verdächtigen auf dem Hauptbahnhof Köln zeigten. In den Bombenkoffern seien außerdem DNA-Spuren des Festgenommenen gefunden worden. Er soll mit seinem Komplizen am 31. Juli im Kölner Hauptbahnhof zwei Kofferbomben in Regionalzügen deponiert haben.

Die Täter wollten die Bomben per Zeitzünder zeitgleich vor Erreichen der Bahnhöfe Dortmund und Koblenz zur Explosion bringen. Die Sprengsätze waren nur wegen handwerklicher Fehler nicht explodiert. Laut Bundesanwaltschaft hätten beide Koffer-Sprengsätze bei einer Explosion eine "erhebliche Druckwelle" erzeugt. Die ebenfalls in den Koffern befindlichen Brandbeschleuniger hätten demnach einen "Feuerball" auslösen können.

Der festgenommene Libanese lebte seit September 2004 in Deutschland und studierte in Kiel das Fach Mechatronik. Sein Zimmer in einem Studentenwohnheim sowie eine zum Wohnheim gehörende Werkstatt wurden durchsucht. Dabei seien keine "explosionsgefährlichen Bestandteile" gefunden worden, erklärte die Bundesanwaltschaft. Die Auswertung der Durchsuchungen dauere an. Nach dem zweiten Verdächtigen werde weiter gefahndet, hieß es. Aus ermittlungstaktischen Gründen könnten dazu derzeit keine Einzelheiten mitgeteilt werden.

"So nah war die Bedrohung noch nie", sagte Schäuble im ZDF. Der Innenminister sagte weiter, nötig seien jetzt "leistungsfähige Nachrichtendienste" sowie eine "enge Partnerschaft" mit ausländischen Geheimdiensten. "Wir müssen auch die Antiterrordatei jetzt zustande bringen", sagte der Minister. Er rechne mit einer Einigung im September.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich in Berlin erleichtert über die Festnahme und sprach von einem großen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus. Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, sagte in Kiel, durch die Videoaufzeichnung sei ein "Fahndungsdruck aufgebaut" worden. Dieser dürfe nun nicht nachlassen, betonte er mit Blick auf den noch flüchtigen Komplizen: "Die Gefahr dauert noch an. Wir wissen nicht, wie dieser zweite Tatverdächtige reagieren wird."

Die SPD ist laut Parteichef Kurt Beck grundsätzlich bereit, die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen auszuweiten. Eine Ausweitung müsse aber "mit Augenmaß" geschehen, sagte Beck der "Frankfurter Rundschau". Bei der geplanten Antiterrordatei müsse es beim Gebot der Verhältnismäßigkeit bleiben. Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler warnte vor "reflexartigen Rufen nach neuen Gesetzen". Der Fahndungserfolg zeige, dass sich die heutige Rechtslage bewährt habe. Auch Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck warnte in der Zeitung vor einer Verschärfung von Gesetzen. Es gebe "bislang keine Hinweise, dass mit anderen gesetzlichen Möglichkeiten dieser Täter früher entdeckt worden wäre." (tso/AFP)

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