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Verteidigungsminister: Wehrpflicht: Kürzerer Dienst, früherer Start

Guttenberg will bereits in diesem Jahr die Wehrpflicht und den Zivildienst verkürzen und verärgert damit Opposition und Wohlfahrtsverbände.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Für Politiker wie Verbände kam die Ankündigung von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) völlig überraschend: Dass die geplante Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate bereits am 1. Oktober dieses Jahres starten soll, die Verkürzung des Zivildienstes sogar schon am 1. August, stieß vor allem jene vor den Kopf, die ohnehin mit der kürzeren Dienstzeit ihre Probleme haben – die einen, weil sie Ausbildungsdefizite bei der Truppe befürchten, die anderen, weil sie mangelnde Kontinuität im Zivildienst voraussagen. Da nutzte es auch nicht viel, dass ein Ministeriumssprecher ankündigte, der Minister wolle seine Eckpunkte für die Wehrdienstverkürzung so schnell wie möglich den Fraktionen und den anderen Ressorts vorstellen. Das Konzept müsse auch noch mit dem Familienministerium abgestimmt werden.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Susanne Kastner (SPD), sagte dem Tagesspiegel, sie sei „sehr erstaunt“ über Guttenbergs Vorgehen. „Es überrascht mich, weil ich das Wehrdienstkonzept überhaupt noch nicht gesehen habe“, sagte Kastner. Man müsse „immer den ersten vor dem zweiten Schritt machen“. Erst einmal müsse das Konzept in den Fraktionen und im Verteidigungsausschuss diskutiert werden. „Ich halte diese Aussage für viel zu verfrüht“, sagte sie. Die SPD lehnt eine Wehrdienstverkürzung generell ab, weil in sechs Monaten keine ausreichende Ausbildung gewährleistet werden könne.

Besorgt zeigten sich die Wohlfahrtsverbände. „Für die Einsatzstellen der Zivildienstleistenden bedeutet das eine weitere Verunsicherung“, sagte Thomas Niermann, Abteilungsleiter beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Tagesspiegel. Sie seien fest davon ausgegangen, dass die Wehrdienstverkürzung am 1. Januar 2011 eingeführt werde, wie es im Koalitionsvertrag stehe. „Das ist eine Frage der Verlässlichkeit“, monierte Niermann und wies darauf hin, dass die Einsatzstellen vor große organisatorische Probleme gestellt würden. Nun müsse rasch ein neues Zivildienstgesetz vorgelegt werden. Er plädierte dafür, schnell die Möglichkeit zu schaffen, den Zivildienst freiwillig zu verlängern – zu den gleichen Konditionen wie für den Pflichtdienstteil und mit zeitlicher Flexibilität. Im Bereich des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sind zurzeit 12 000 Zivildienstleistende eingesetzt.

Auch Kerstin Griese, Vorstand Sozialpolitik beim Bundesverband Diakonie, sieht durch die vorgezogene Verkürzung die sozialen Träger vor große Probleme gestellt. „Wir appellieren an die Politik, endlich Planungssicherheit zu schaffen“, sagte Griese, die als SPD-Politikerin von 2002 bis 2009 Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag war. Zwei Drittel der Zivildienstleistenden seien unmittelbar am Menschen tätig. Es sei auch im Sinne der Betroffenen, dass nicht ständig deren Bezugspersonen wechselten. „Wir brauchen eine Anschlussmöglichkeit an den Zivildienst“, forderte Griese und rief die schwarz-gelbe Koalition auf, ihren Streit über ein solches Modell beizulegen. Es müsse ein vom Staat unterstützter freiwilliger Dienst in der Hand der Träger sein. „Das Geld, das durch die Verkürzung eingespart wird, sollte in diese freiwilligen Dienste gehen“, sagte sie.

Das Verteidigungsministerium will durch die Verkürzung des Wehrdienstes die Zahl der Grundwehrdienstleistenden von 40 000 auf 50 000 jährlich erhöhen. Nach Einführung der Wehrpflicht 1956 betrug die Dienstdauer zwölf Monate. Von 1962 bis 1972 waren es 18 Monate. 1973 wurde sie auf 15, 1990 auf zwölf, 1996 auf zehn und 2002 auf neun Monate verkürzt. Im Jahr 2009 wurden rund 68 000 junge Menschen zum Wehrdienst einberufen, mehr als 90 000 entschieden sich für den Zivildienst. mit dpa

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