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Irland-Referednum

© dpa

Vertrag von Lissabon: Die Iren haben die Wahl

Die Iren haben am Donnerstag über den Vertrag von Lissabon abgestimmt - Irland ist das einzige Land der EU, in dem die Bevölkerung entscheiden darf. Letzte Umfragen sahen Gegner und Befürworter etwa gleichauf. Sollte der Vertrag abgelehnt werden, könnte die EU nach 2005 erneut in eine Krise geraten. Einen Plan B gibt es nicht.

Die Iren haben am Donnerstag über die Zukunft der Europäischen Union entschieden: Drei Millionen Wähler waren aufgerufen, über den Vertrag von Lissabon abzustimmen, der die EU von 2009 an demokratischer und schlagkräftiger machen soll. Erwartet wurde ein äußerst knappes Ergebnis, nachdem Befürworter und Gegner in letzten Umfragen fast gleichauf gelegen hatten. Ein Nein der Iren bei dem Referendum würde die EU in eine dramatische politische Krise stürzen.

Die Wahllokale sind noch bis 23 Uhr MESZ geöffnet, mit der Auszählung der Stimmen wird erst am Freitagmorgen begonnen. Irland ist das einzige der 27 EU-Länder, in dem das Volk direkt über den Vertrag entscheidet. Bisher haben diesen 18 Länder, darunter auch Deutschland, ratifiziert.

Die Iren haben vor sieben Jahren schon einmal "Schockwellen" in Brüssel ausgelöst, als sie in einem Referendum den Vertrag von Nizza ablehnten, der unter anderem die Voraussetzungen für die EU- Osterweiterung schaffte. Als die Abstimmung später wiederholt wurde, stimmten die Iren jedoch zu.

Große Parteien haben zur Zustimmung aufgerufen

Alle großen Parteien in Irland hatten dieses Mal wegen der "historischen" Bedeutung zu einem Ja aufgerufen. Der irische Premierminister Brian Cowen sagte bei der Stimmabgabe, er hoffe, dass möglichst viele Menschen wählen gingen. Das Referendum lief jedoch schleppend an, berichtete der irische Fernsehsender RTE. Vor allem auf dem Land stimmten zunächst wenige Menschen ab. In anderen Gegenden sei die Wahlbeteiligung am Nachmittag bei rund 20 Prozent gelegen. Die Ergebnisse werden diesen Freitagnachmittag erwartet. Prognosen wird es nach dem Schließen der Wahllokale nach Angaben des Senders nicht geben.

Von der Höhe der Beteiligung hing nach Einschätzung der Regierung entscheidend ab, ob es zu einem Ja reichen würde. Laut Umfragen war die Zahl der Unentschlossenen bis zuletzt hoch. Dem Lager der Reformgegner, die in letzten Umfragen stark zugelegt und zeitweise in Führung gegangen waren, warf Cowen erneut "Verdrehungen" vor. Schon während des Wahlkampfes hatte er den Nein-Sagern vorgeworfen, falsche Information über die Reformen zu verbreiten.

Der Reformvertrag, der die EU auf eine neue Rechtsgrundlage stellen soll, kann nur in Kraft treten, wenn alle EU-Staaten zugestimmt haben. Der Vertrag, der nach schwierigen Verhandlungen im vergangenen Jahr in Lissabon unterzeichnet worden war, soll die EU effektiver machen. Die zunächst vorgesehene Verfassung für die Europäische Union war 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert.

Barroso: "Es gibt keinen Plan B"

Die EU-Kommission hat bisher alle Spekulationen darüber abgelehnt, was im Falle eines erneuten Neins der Iren geschehen soll. "Es gibt keinen Plan B", hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärt. Cowen hatte seinerseits davor gewarnt, Europa würde in einen Zustand der Unsicherheit zurückfallen, falls der Reformvertrag abgelehnt werde.

In Irland, das von dem EU-Beitritt 1973 enorm profitiert hat, herrscht derzeit verbreitet Unmut. Beklagt wird ein immer größer werdendes Gefälle zwischen Arm und Reich sowie zwischen Land und Stadt. Auch ist die Arbeitslosigkeit zuletzt wieder angestiegen. EU- Gegner hatten zudem angeführt, dass Irlands niedrige Unternehmenssteuern, die zu dem Boom in dem einst armen Land beitrugen, durch die Verträge in Gefahr seien.

Großbritannien will sich nicht von Irland abhängig machen

Großbritannien kündigte an, den Prozess der Ratifizierung auch dann fortzusetzen, wenn der Vertrag beim Volksentscheid in Irland durchfallen sollte. Das erklärte ein britischer Diplomat. Das Oberhaus in London werde den Vertrag wie geplant kommende Woche prüfen und damit den mit der Zustimmung des Unterhauses eingeleiteten Ratifizierungsprozess fortsetzen, sagte er.

Innerhalb der Europäischen Union gibt es Befürchtungen, dass eine mögliche Ablehnung des Lissaboner Vertrags beim irischen Referendum dazu führen könnte, dass Länder mit einem hohen Anteil von Euroskeptikern wie Großbritannien oder Tschechien den Ratifizierungsprozess stoppen könnten. (nim/dpa/AFP)

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