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Vertrauensfrage: Auch Schröder will sich enthalten

Bundeskanzler Gerhard Schröder will die Vertrauensfrage im Bundestag mit mangelnder Handlungsfähigkeit seiner Regierung begründen. Dies teilte Schröder heute seinen Ministern zur Begründung der Vertrauensfrage mit, mit der eine Neuwahl des Bundestags erreicht werden soll. (29.06.2005, 17:13 Uhr)

Berlin - Nach der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen gebe es Zweifel, die restliche Legislaturperiode geregelt über die Bühne zu bringen. Regierungssprecher Béla Anda sagte, entscheidend bei der Vertrauensfrage sei die «politische Beurteilung» des Bundeskanzlers, ob er «über das stetige Vertrauen der Mehrheit des Parlaments» verfügt. Der Kanzler werde seine Beweggründe am Freitag dem Parlament darlegen. Weitere Angaben über das Gespräch in der Kabinettsrunde wollte Anda nicht machen.

Verliert der Kanzler am Freitag - wie erwartet - die Vertrauensfrage, werde er am gleichen Tag Bundespräsident Horst Köhler persönlich aufsuchen und um Auflösung des Parlaments bitten. Schröders Ziel ist, dass der Bundespräsident damit den Weg für eine Neuwahl am 18. September freimacht. Der Bundespräsident muss binnen 21 Tagen über die Auflösung entscheiden.

Zwei Tage vor der Abstimmung gilt es als sicher, dass die Mehrheit des Parlamentes mit den Stimmen der Opposition Schröder das Vertrauen versagen wird. Notwendig ist, dass sich von den 304 Koalitionsstimmen mindestens 4 enthalten oder mit Nein stimmen. Im Parlament gibt es 601 Abgeordnete, die Kanzlermehrheit beträgt 301 Stimmen. Nach dpa- Informationen kündigten in der Kabinettsrunde mehrere Minister an, sich zu enthalten. Von Schröder habe es dazu keine Empfehlung gegeben, hieß es. Anda sagte, auch der Kanzler werde sich enthalten.

In der SPD-Fraktion wird fest damit gerechnet, dass sich eine große Mehrheit der 249 SPD-Abgeordneten enthalten und damit der entsprechenden Empfehlung von Fraktionschef Franz Müntefering folgen wird. Bei den Grünen wollen sich etwa 20 Prozent der 55 Abgeordneten enthalten, die anderen wollen für den Kanzler votieren. Die Grünen wollten ihren Rückhalt für die Regierungspolitik in den vergangenen sieben Jahren demonstrieren und zugleich «den Weg zu Neuwahlen freimachen», sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck.

Union und FDP haben angekündigt, dem Kanzler nicht das Vertrauen aussprechen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte, das Vorgehen des Kanzlers entspreche sowohl dem Grundgesetz als auch dem Vorgaben des Verfassungsgerichts. «Eine stetige Mehrheit für diese Regierung gibt es nicht mehr.»

Zu dem gut einstündigen Ministergespräch waren neben den 13 Ministern auch Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hans Martin Bury, eingeladen. Schröder gab nach dpa-Informationen eine Beschreibung der Lage vor und nach der NRW-Wahl am 22. Mai ab. Dabei merkte er an, inzwischen kämen von den schärfsten Kritikern seiner Politik die innigsten Treueschwüre. Dies sei nicht glaubwürdig. In der Ministerrunde sei zudem große Besorgnis über den derzeitigen Zustand der SPD geäußert worden.

Innenminister Otto Schily (SPD) bekräftigte, sich bei der Vertrauensfrage enthalten zu wollen. Für manche Abgeordnete sei es aber eine schwierige Entscheidung, den Weg zu Wahlen zu eröffnen, sagte Schily in Berlin. «Die Koalition hat natürlich damit eine schwierige Lage zu bewältigen.» Auch Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte nach dem Ministergespräch, er werde sich bei der Vertrauensfrage der Stimme enthalten. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte bereits vor dem Ministergespräch seine Enthaltung angekündigt.

Auch Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) unterstütze den Kurs des Kanzlers. Mit vorgezogenen Neuwahlen im Herbst werde der Weg frei, «um bei den anstehenden wichtigen Reformentscheidungen den nötigen politischen Rückenwind» zu haben. Vor der Abstimmung am Freitag will Schröder den SPD- und Grünen-Bundestagsabgeordneten seine Beweggründe erläutern. Zuvor ist am Donnerstag eine Sitzung des Koalitionsausschusses anberaumt. (tso)

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