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Politik: Verunsicherte Basis

Die CDU-Regionalkonferenz spendet Merkel wenig Beifall für den Reformkurs – viele Delegierte gehen

Von Robert Birnbaum

Es geht hier nicht richtig voran für Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende steckt fest im Stau auf der Autobahn nach Hamm. Also muss der nordrhein-westfälische Landeschef Jürgen Rüttgers am Donnerstagabend die CDU-Regionalkonferenz erst mal alleine darauf hinweisen, was ihr Sinn und Zweck ist.

Offiziell soll die in Bussen angereiste CDU-Basis in der früheren Zechenhalle am Ostrand des Ruhrgebiets den Leitantrag für den CDU-Bundesparteitag Anfang Dezember in Düsseldorf debattieren. Es ist die erste der Regionalkonferenzen zum Reformkurs der Partei. Aber Rüttgers wünscht sich von diesem Abend vor allem ein „Signal der Geschlossenheit“, erstens für die Bürgermeister-Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen am Sonntag und zweitens mit Blick auf die Landtagswahl im Mai. Die Basis,vorwiegend rentennahe Jahrgänge, klatscht voll Verständnis – und voll stiller Hoffnung. „Unsere Leute sind verunsichert“, sagt ein Funktionär. Die Basis weiß: Die Union ist zurzeit alles andere als geschlossen. Auch CDU und CSU stecken fest.

Das Thema „Gesundheitsprämie“, im Leitantrag eher beiläufig erwähnt, spielt infolgedessen in den Reden der CDU-Chefin Merkel und ihres Generals Laurenz Meyer eine zentrale Rolle. Als Meyer das Thema zum ersten Mal anspricht, pfeifen weit hinten in der früheren Maschinenhalle zwei einsame Trillerpfeifen. Man hört sie nur, weil es ansonsten still ist im Saal. Die Basis will schon noch mal hören, warum es richtig gewesen sei, dass die CDU diese Prämie, besser bekannt unter dem hässlichen Namen Kopfpauschale, vor einem Jahr beim Parteitag in Leipzig verabschiedet hat. „Ich hab’ mich über jede Wortmeldung geärgert, die Gesundheitsprämie sei nicht sozial“, sagt Meyer – was übrigens die einzige Anspielung vom Podium bleibt, die die CSU auf sich münzen könnte.

Merkel, nach einer guten Dreiviertelstunde dann doch noch eingetroffen, versucht es noch einmal mit Erklärung: Die Prämie sei nicht das, was einer zahle, sondern das, was einer im Durchschnitt an Medizinkosten verursache. Und man müsse sehen, dass an der Solidarität in der Krankenversicherung alle beteiligt würden, auch die Gutverdiener, was das Prämienmodell leiste. Und die Abkopplung von den Lohnkosten – „Sozial ist, was Arbeit schafft“, sagt Merkel, ein Satz, für den übrigens „unsere bayerischen Freunde“ die Urheberschaft trügen.

Der Beifall klingt nicht enthusiastisch. Die ersten Fragesteller hören sich erst recht nicht begeistert an. Herr Stegmüller aus Stemwede lobt im Prinzip das vorliegende Programm, in dem „die Grundsätze der CDU drin verkörpert“ seien. „Das ist alles sehr gut“, sagt Herr Stegmüller, „aber wir müssen’s auch beim Wähler anbringen!“ Doch das funktioniere nicht im Moment. „Und jetzt reden wir auch noch über den Kündigungsschutz!“ Oder Herr Hasejäger aus Soest zum Beispiel, der vor „diesem großen Umbruch, der uns da bevorsteht in den Sozialsystemen“ schlicht und einfach Angst hat: „Da seh’ ich als Arbeitnehmer einfach das Risiko, dass mir da was weggenommen wird!“ Und da finde er, nun ja, „das bayerische Modell sozial gerechter“.

Es gibt nicht nur Zweifler. Gegen zehn Uhr Abends ruft der Malermeister Friedhelm Koch aus Paderborn dazu auf, man solle „nicht nur ein bisschen den Mond anheulen“. „Wir brauchen eine Maggie“, ruft ein Delegierter. Ein paar klatschen. Hinten ruft einer „Aufhören!“ Die Basis ist inzwischen gegangen. Vielleicht Hundert von den Tausend sind noch im Saal. Es geht hier bergab für Angela Merkel.

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