zum Hauptinhalt
Karadzic

© AFP

Verzögerung: Richter im Karadzic-Prozess verärgert

Drei Monate nach der Festnahme von Radovan Karadzic ist der Völkermordsprozess gegen den ehemaligen Führer der bosnischen Serben ins Stocken geraten. Karadzic nutzt offenbar Versäumnisse der Staatsanwaltschaft aus.

"Im Kern sind wir noch nirgendwo hingekommen“, beklagte der sichtlich verärgerte Vorsitzende Richter Iain Bonomy, der am Dienstag nach einer weiteren Anhörung eine Vertagung bis zum 20. Januar 2009 verkündete. Karadzic hatte zu Beginn der erneuten Anhörung zu Verfahrensfragen vor dem UN-Kriegsverbrecher-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien geltend gemacht, dass ihm die serbokroatische Übersetzung der aktualisierten Anklageschrift erst am Vortag übergeben worden sei.

Der Angeklagte, dem unter anderen die Verantwortung für das Massaker an mehr als 8000 bosnischen Muslimen 1995 in Srebrenica zur Last gelegt wird, weigerte sich, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Er habe einfach nicht genügend Zeit zum Studium der neuen Anklageschrift gehabt, erklärte Karadzic zur Begründung. Zudem stellte sich bei der Anhörung heraus, dass große Teile des Beweismaterials noch nicht in übersetzter Fassung vorliegen.

Richter: Karadzic hat Schwierigkeiten

Richter Bonomy kritisierte den schleppenden Verlauf der Vorbereitung des Hauptverfahrens. Dies sei "außerordentlich enttäuschend". Neben der Staatsanwaltschaft machte er dafür Karadzic verantwortlich, der trotz wiederholter Warnungen vor Komplikationen auf einen Rechtsanwalt verzichtet und nun offenbar Schwierigkeiten damit habe, sich selbst zu verteidigen. In der überarbeiteten Anklage wird Karadzic nunmehr Völkermord in zwei verschiedenen Fällen vorgeworfen, die vorher zusammengefasst waren. Ansonsten hatte die Staatsanwaltschaft die Zahl der einzelnen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dem ehemaligen Serbenführer zur Last gelegt werden, von 41 auf 27 reduziert. Damit solle die Führung des Verfahrens gegen Karadzic effektiver werden, hieß es zur Begründung.

Warum die neue Anklageschrift, die in Englisch bereits seit dem 22. September vorliegt, in Serbokroatisch erst einen Tag vor der neuen Anhörung fertiggestellt werden konnte, wurde zunächst nicht bekannt. Karadzic war Ende Juni nach mehr als einem Jahrzehnt auf der Flucht überraschend in Belgrad verhaftet und wenig später an das UN-Tribunal in Den Haag ausgeliefert worden. (sf/dpa)

Zur Startseite