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Veteidigungspolitik: „Die Bundeswehr soll aus Afghanistan nach Hause kommen“

Der ehemalige Verteidigungs-Staatssekretär Willy Wimmer über die Strategie der Nato und die Rolle Deutschlands. Er gehört seit 1976 dem Bundestag an. Von 1988 bis 1992 war der CDU-Politiker Parlamentarischer Staatssekretär.

Anfang April tagt der Nato-Gipfel in Bukarest. Dann wird auch von den künftigen Aufgaben des Bündnisses die Rede sein. Worum sollte sich die Nato kümmern?

Die Nato gehört eigentlich zum Tüv. Das Bündnis hat sich in den letzten 18 Jahren von einem Verteidigungsbündnis zu einem globalen Einsatzkommando entwickelt, ohne dass die Menschen in den Nato-Mitgliedstaaten dabei eine Einwirkungsmöglichkeit gehabt hätten. Wenn ich die Stimmungslage richtig einschätze, dann kann die Nato nur überleben, wenn sie sich wieder stärker an ihren ursprünglichen Verteidigungscharakter erinnert.

Das heißt: Die Nato soll nicht mehr am Hindukusch für Sicherheit sorgen?

Wenn wir uns nicht auf unseren geografisch definierten Handlungsrahmen beschränken, dann werden die Menschen der Nato untreu. Was wir derzeit beim Nato-Einsatz in Afghanistan erleben, das trägt maßgeblich zur Erosion des Bündnisses bei.

Ab dem Sommer stellt Deutschland in Afghanistan die Schnelle Eingreiftruppe und löst damit das norwegische Kontingent ab. Erreicht der Bundeswehreinsatz damit eine neue Qualität?

Die Bundesregierung will uns immer glauben machen, die Mission gehe nicht über Nothilfe-Einsätze hinaus. Wenn die Bundeswehr sich aber an dem Einsatz der Norweger orientiert, dann würde das eine Beteiligung an vorher geplanten Kampfeinsätzen bedeuten – also eben nicht im Sinne der Nothilfe. In diesem Fall würde die Bundesregierung einen schweren Gang gehen. Mir wäre es ohnehin am liebsten, die Bundeswehr würde aus Afghanistan nach Hause kommen. Ich habe null Interesse, dass wir uns an einem 30-jährigen Krieg beteiligen. Die Briten haben bereits im vergangenen Sommer in Berlin dem Bundesverteidigungsminister Jung deutlich gemacht, dass es in Afghanistan auf einen 30- oder 40-jährigen Einsatz ankomme. Ähnlich lässt sich ja auch der SPD-Fraktionschef Struck vernehmen.

Nach einem Abzug der Bundeswehrsoldaten sieht es nicht aus – im Gegenteil. Beim Nato-Gipfel dürfte die Forderung an Deutschland erneuert werden, den Einsatz über den relativ ruhigen Norden hinaus auszuweiten.

Wir sind nicht die Hintersassen der Briten und Amerikaner. Die Bundeskanzlerin hat bei der Kommandeurstagung der Bundeswehr Anfang des Monats in Berlin deutlich gemacht, dass ein Einsatz im Süden für die Bundesrepublik nicht infrage kommt – abgesehen von Notfällen. Aus meiner Sicht hat das gute Gründe. Die Zustimmung zu diesem Einsatz ist in der Bundesrepublik schon dürftig genug. Bei einer Ausweitung des Einsatzgebietes dürfte es auf Dauer in der Bevölkerung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar keine Zustimmung mehr geben. Nach einem siebenjährigen Einsatz in Afghanistan muss man sich doch fragen, ob es nicht langsam einmal genug ist.

Aber würde ein Rückzug der internationalen Verbände nicht die Rückkehr der Taliban und von Al Qaida provozieren?

Die bisherigen Einsätze – etwa die Offensive der Schutztruppe Isaf im vergangenen Frühjahr im Süden und die Missionen der Anti-Terror-Koalition „Operation Enduring Freedom“ – haben nur dazu beigetragen, den Krieg in den fraglichen Gebieten immer aufs Neue zu befeuern.

Welches Konzept schlagen Sie denn für die Zukunft Afghanistans vor?

Man müsste sich bemühen, im Rahmen der Vereinten Nationen ein eindeutiges Mandat für die „Operation Enduring Freedom“ zu erhalten. So könnte man sicherstellen, dass auch China und Russland als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats anders in die Überlegungen zur Entwicklung Afghanistans einbezogen werden.

Woran krankt der Wiederaufbau Afghanistans aus politischer Sicht?

Erster Punkt: Man muss das Stammesleben und die eingeschränkte Rolle der Zentralregierung in Kabul akzeptieren. Die Zentralregierung muss nur die Verwaltung sicherstellen – alles andere regeln die Stämme in dem Land von alleine. Solange wir eine Lösung suchen, die 600 Jahre afghanischer Geschichte auf den Kopf stellt, werden wir auf Dauer scheitern müssen. Zweiter Punkt: Die Paschtunen, das staatstragende Volk in Afghanistan, werden durch die Kolonialgrenze zwischen Afghanistan und Pakistan gegen ihren Willen geteilt. Man muss also auch darauf hinarbeiten, dass die – aus Sicht der Paschtunen – negativen Auswirkungen dieser Grenze gemindert werden.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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