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Den Platz vorm Dom im Blick: In Köln wurde für Silvester aufgerüstet.

© dpa

Videokameras im öffentlichen Raum: Die Dosis macht das Gift

Es geht um Videoüberwachung im öffentlichen Raum versus Datenschutz. Es wird polarisiert, als gebe es die eine richtige Lösung. Dabei geht es ums Austarieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Das Fahndungsfoto, das 2015 zu dem inzwischen verurteilten Mörder der zwei Kinder Mohamed und Elias in Berlin führte, stammte aus einer Kneipen-Kamera, die das Bild nicht hätte machen dürfen. Sie beobachtete zu viel öffentliches Straßenland, und Bilder vom öffentlichen Straßenland darf man in Deutschland nicht heimlich machen, und aufbewahren darf man sie auch nicht. Beides verletzt die Datenschutzrechte aller Bürger.

Der Fall hätte zu einer Debatte über die Legalisierung von Straßenobservationen durch jedermann führen können. Schließlich haben die Bilder möglicherweise Leben gerettet, denn wer weiß schon, ob der Täter nicht weitere Kinder ermordet hätte? Doch es blieb ruhig. In diesem Jahr wäre das wahrscheinlich anders gewesen.

Nach dem tödlichen Terrorangriff des Islamisten Anis Amri auf den Berliner Weihnachtsmarkt und dem versuchten Mord an einem Obdachlosen durch sieben junge Flüchtlinge ebenfalls in Berlin liegen in der Politik die Nerven allmählich blank, und der Wunsch, eine kompakte Lösung für mehr Allgemeinsicherheit anzubieten, wird übermächtig. Also werden Städte und Kommunen zur Ausweitung von Videoüberwachung gerufen: mehr Kameras aufhängen, Bilder länger speichern.

Die Vorschläge klingen, als sollten sie vor allem dem Rufer selbst signalisieren, dass er ja nunmehr getan hat, was er tun konnte, nun sind die anderen dran. Ebenso reflexhaft sind die Entgegnungen, die sich um Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung drehen. Die Fronten sind starr, nahezu ideologisch fixiert. Dabei geht es nicht um die eine richtige Lösung. Es geht ums Austarieren.

Zu viele Kameras schränken die Freiheit ein

Bei Videoüberwachung im öffentlichen Raum gilt vielleicht mehr als sonst wo, dass die Dosis das Gift macht. Denn sie steht in einem Spannungsverhältnis zur Freiheit, einem Basiswert hiesiger Gesellschaften. Und die Gegenleistung für deren Einschränkung ist spekulativ und vage. In der Schweiz wurde der Sicherheitszugewinn ausgewertet, den in einem vornehmen Wohnviertel 29 Kameras erbringen sollten. Das Ergebnis lautet grob zusammengefasst: nicht messbar. Auch das anfangs höhere Sicherheitsgefühl der Bewohner sank mit dem Interesse der Medien an der Maßnahme zurück aufs Normale. Das ist kein Argument für dies oder das. Aber ein Indiz dafür, dass Videoüberwachung nichts ist, was verantwortungsvollerweise gefordert werden kann, nur weil es auf die Schnelle gerade opportun erscheint.

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