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Um Zuwanderung für Fachkräfte zu erleichtern: Englisch als zweite Verwaltungssprache – FDP erntet viel Kritik für Vorschlag

Die Liberalen wollen Englisch als zweite Verwaltungssprache einführen. Die Forderung ist Teil eines Programms zur Erleichterung der Fachkräfte-Zuwanderung.

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Für ihre Fortschrittlichkeit sind deutsche Behörden nicht gerade berühmt. Frischen Wind in die Amtsstube will jetzt die FDP bringen. Sie möchte Englisch als zusätzliche Verwaltungssprache etablieren, um Behördengänge für Migrantinnen und Migranten zu erleichtern.

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Die Forderung ist Teil eines Zehn-Punkte-Programms zur Erleichterung der Fachkräfte-Zuwanderung, welches das FDP-Präsidium am Montag in Berlin verabschiedete. „Arbeits- und Innovationskraft aus dem Ausland werden für unser Land unverzichtbar sein, um erfolgreich aus den aktuellen Krisen herauszuwachsen und dauerhaft den Bedarfen unseres Arbeitsmarkts

Mangelnde Deutschkenntnisse als große Hürde

Mangelnde Deutschkenntnisse seien „eine ganz große Hürde“ bei der Anwerbung dringend benötigter Fachkräfte, sagte Bundesbildungsministerin und FDP-Präsidiumsmitglied Bettina Stark-Watzinger.

„Hier geht es darum, dass wir in der Verwaltung Englisch als zweite Sprache einführen, damit diejenigen, die zu uns kommen, auch den Zugang finden.“

Der Städte- und Gemeindebund wies den Vorstoß zurück. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg ist der Ansicht, dass die Umsetzung Jahre dauern und zu zusätzlicher Bürokratie führen würde.

Der Vorschlag sei kontraproduktiv und würde Deutschland auf dem Weg zu einer besseren Willkommens- und Ankommenskultur nicht voranbringen. Skeptisch zeigt sich auch die Integrations-Expertin Ulrike Wieland von der Bertelsmann-Stiftung. „Die eigentliche Herausforderung ist ja, dass die bisherige, weitgehend nur deutschsprachige Behördenpraxis dem Leben in einer Einwanderungsgesellschaft noch nicht angemessen gerecht wird“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Auch andere Sprachen sollten in den Behörden vertreten sein

„Dass die Einführung von Englisch als zweiter Behördensprache hier schnell und zielführend Abhilfe schaffen würde, erscheint mir eher fraglich.“ Mehr Englischkenntnisse beim Verwaltungspersonal seien zwar ein guter Ansatz, aber auch andere Sprachen sollten in den Behörden vertreten sein.

„Die Beherrschung einer zweiten Sprache könnte zum Beispiel öfter ein Kriterium bei Stellenausschreibungen sein“, schlägt sie vor. „Wenn in der Verwaltung mehr Menschen eingestellt werden, die zusätzliche Sprachen sprechen, und zugleich rein deutschsprachige Mitarbeiter:innen weitergebildet werden, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.“

Auch mit Blick auf ausländische Fachkräfte, die die FDP offenbar im Blick habe, könne der Fokus auf Englisch allein womöglich zu eng sein, vermutet Wieland. Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) ist ebenfalls nicht begeistert.

„Sollte Englisch als zweite Amtssprache eingeführt werden, müssten unter anderem alle Justizangehörige ,gerichtsfest’ Englisch können“, moniert der Vorsitzende Memet Kilic. Der Jurist hält das Vorhaben der Liberalen für realitätsfern und die gute Absicht damit für verfehlt. Die gute Absicht ließe sich besser gestalten, meint er: „Etwa wenn der Staat auf bestimmten Gebieten die Dolmetscherkosten übernehmen und dadurch einer größeren Gruppe in der Bevölkerung helfen würde, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist.“

Deutscher Beamtenbund lehnt Vorstoß ab

Positiver reagierte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Reem Alabali-Radovan (SPD) auf den Vorstoß: „Wir machen Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland. Es ist eine Freude, dass die Regierungskoalition mit vereinten Kräften an einem Strang zieht.“ Sprache sei der Schlüssel zu gelungener Integration.

Dagegen ist der Deutsche Beamtenbund. Der Vorstoß der FDP impliziere dass kein Mensch in der Verwaltung Englisch spricht, und jene, die es vielleicht könnten, sich beharrlich weigern, sagte Sprecherin Britta Ibald dem Tagesspiegel.

„Das ist nicht nur schlichtweg falsch, sondern eine ziemlich unverschämte Unterstellung. Natürlich ist es nicht überall Oxford-Niveau, aber Englisch ist nicht zuletzt aufgrund der veränderten Schul- und Ausbildung mittlerweile durchaus gelebte Verwaltungspraxis.“ In der Praxis sei es außerdem so, dass Arabisch, Farsi und Französisch gefragt seien.

„Ein pauschales Englisch-Gebot hilft uns nicht weiter. Dass wir keine Fachkräfte gewinnen, weil der Staat angeblich nicht genug Englisch spricht, ist eine Behauptung, die faktisch überhaupt nicht belegt ist.“ Sie kritisiert auch FDP-Chef Christian Lindner. „Wenn der Bundesfinanzminister sagt, gerade gibt es kein Geld für Investitionen, dann betrifft das eben auch unmittelbar die Beschäftigten und ihre Qualifikationen.“

Auch die Grünen zeigen wenig Begeisterung

Bei den Grünen bleiben Begeisterungsstürme ebenfalls aus. „Die dringend benötigte Arbeitskräfte-Einwanderung erreichen wir nicht durch zusätzliche Amtssprachen.
Nachhaltig erfolgreiche Migration liegt in der Praxis häufig in qualitativ hochwertiger Betreuung und Beratung von Migrantinnen und Migranten sowohl in den Herkunftsländern als auch im Inland. Darauf müssen wir uns konzentrieren“, sagte Misbah Khan, Mitglied des Ausschusses für Inneres und Heimat, dem Tagesspiegel. Für eine zweite Behördensprache spricht sich der Sachverständigenrat für Migration und Integration aus: „Wir sind so stolz auf die Fremdsprachenkenntnisse, die bei uns gelehrt werden, warum diese nicht auch in den Behörden zum Einsatz bringen? Wenn es uns gelingt, eine gemeinsame Sprache zu finden, gelingt es uns sicher auch mehr Arbeitskräfte und mehr Integration zu erreichen“, sagte Birgit Leyendecker vom SVR im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

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