zum Hauptinhalt

Politik: Viel Nichts um Rauch

Von Lutz Haverkamp

Die extra eingerichtete Arbeitsgruppe und mit ihr große Teile der großen Koalition haben sich ein hehres Ziel gesetzt. Sie wollen Nichtraucher vor Passivrauchen und seinen ungesunden Folgen schützen. Ergebnis: SPD und Union sind gescheitert. Der angebliche Durchbruch beim Rauchverbot ist nicht mehr als ein Einknicken vor der Tabaklobby, ein fauler – wenn nicht gar feiger – Kompromiss, der so hoffentlich niemals das Bundesgesetzblatt erreicht.

Das jetzt diskutierte Verbot wird der Lebenswirklichkeit in Deutschland nicht gerecht. Nichtraucher werden durch das Vorhaben weder in Kneipen oder Bars noch in Bierzelten oder Nachtclubs geschützt. Warum darf ein biertrinkender Nichtraucher in der Eckkneipe weiter gefährdet werden, während ein Nichtraucher beim Pizzabäcker ein Haus weiter völlig rauchfrei seine Mahlzeit genießen kann? Auch viele angestellte Bedienungen, Kellner und Toilettenfrauen werden weiterhin ihrer Arbeit in vernebelten, verrauchten Räumen nachgehen müssen. Das etabliert eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Arbeitnehmern, die es nirgends sonst gibt.

Nirgends sonst gibt es auch eine solche Radikalität, mit der beide Seiten – Raucher wie Nichtraucher – argumentativ aufeinander eindreschen. Beide Seiten fühlen sich in ihrer persönlichen Entfaltung derart eingeschränkt, dass Begriffe wie Kompromiss und Rücksichtnahme völlig deplatziert zu sein scheinen. Das hat der Arbeitskreis aus Union und SPD nicht erkannt. In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod.

Der Gesetzgeber muss sich in dieser Frage entscheiden. Um die Lage zu klären, bedarf es nach dem Vorbild anderer europäischer Länder eines umfassenden Rauchverbotes in allen öffentlichen Gebäuden, Verkehrsmitteln, Restaurants und Kneipen. Oder die Politik in Bund und Ländern lässt alles, wie es ist.

Der eigentliche Streit dreht sich doch sowieso nur noch um Restaurants und Gaststätten. Auch die süchtigsten unter den Rauchern kämen heute nicht mehr auf die Idee, auf Krankenhausfluren und in Amtsstuben zu rauchen. Die Bahn hat schon vor Jahren ihre Bahnhöfe und gerade jetzt ihre Bistros in den Zügen – offensichtlich ohne große Proteststürme – zu nikotinfreien Zonen erklärt. Viele Arbeitgeber haben klare Regelungen in ihren Unternehmen getroffen. Es ist viel für den Nichtraucherschutz in Deutschland getan worden.

Der Verweis auf Rauchverbote in Gaststätten und Restaurants im europäischen Ausland, ohne dass dort die Wirte und Köche reihenweise pleitegingen, ist wohlfeil. Denn wenn richtig sein soll, dass rauchfreie Schankräume Standortvorteile – zumindest keine -nachteile – sind, warum findet man sie hierzulande noch so selten? Beim Hotel- und Gaststättenverband in Berlin waren bis Freitagmittag mal gerade 372 Restaurants, Cafés und Kneipen registriert, die Nichtraucherplätze anbieten. Nur eine kleine Minderheit verbietet das Qualmen ganz.

Rauchen macht krank und kann tödlich enden – egal, ob aktiv konsumiert oder passiv inhaliert. Das ist eine Lebenswirklichkeit. Eine andere ist, dass unterschiedlichste Menschen mit den ungewöhnlichsten Eigenarten in vielen Bereichen miteinander leben wollen, müssen und auch können, ohne dass der Gesetzgeber ihnen vorschreibt, wer was zu tun und was zu lassen hat. Will diese Gesellschaft mehr Staat, mehr Regeln, mehr Ge- und Verbote? Oder will sie es nicht? Die Antwort kann so oder so ausfallen – Hauptsache, sie klärt die Luft.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false