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Politik: Viele Berufsjahre – weniger Einschnitte

Die CDU will mit Änderungen an Hartz IV älteren Arbeitslosen entgegenkommen und so Kritiker beruhigen

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wären die Zeiten andere, man könnte es als subtiles Vorzeichen für eine große Koalition deuten. Die Zeiten sind aber, wie sie sind, deshalb meint es die SPD ganz bestimmt nicht nett, dass seit Dienstagabend auf ihrer Internetseite der Entwurf für den Leitantrag zum Parteitag der CDU abrufbar ist. Endlich der Beweis für SPD-Chef Franz Münteferings Mantra, dass unter einer CDU-Regierung „alles noch viel schlimmer“ wird? Oder eher, wie der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer meint, Bildungslektüre für Sozialdemokraten? „Vielleicht wird ja der eine oder andere noch vernünftig dabei“, sagt Meyer.

Vernünftig im Sinne mancher ihrer internen Kritiker freilich sind vor allem Meyer selbst und seine Chefin Angela Merkel geworden. In dem Papier findet sich eine Passage, die nach einer harmlosen Auflistung aussieht. Tatsächlich steckt darin aber ein klares Zugeständnis an gemäßigte Hartz-Kritiker wie den NRW- Landeschef Jürgen Rüttgers und Saar-Regierungschef Peter Müller. Rüttgers wie Müller hatten stets darauf bestanden, dass es nicht sozial gerecht sei, wenn Menschen, die nach einem langen Arbeitsleben ihren Job verlieren, so behandelt werden wie jüngere Arbeitslose.

Diesem Drängen haben Meyer und Merkel nachgegeben. Normale Arbeitslose erhalten wie in den Hartz-Gesetzen geplant das – weitaus höhere – Arbeitslosengeld I für ein Jahr. Danach aber soll eine Staffelung greifen: Wer vorher mindestens 15 Jahre gearbeitet hat, kriegt 15 Monate lang die höhere Zahlung, ein Arbeitsloser mit mindestens 25 Jahren versicherungspflichtiger Tätigkeit soll erst nach 18 Monaten aufs Arbeitslosengeld II verwiesen werden, und für mindestens 40 Jahre Arbeit soll das höhere Arbeitslosengeld I „für eine Übergangszeit“ gar 24 Monate lang fließen. Das geht über die Gesetze der Regierung hinaus. Die billigen über 55-Jährigen zwar 18 Monate Arbeitslosengeld zu, sehen ansonsten aber Übergangsregelungen nur für eine Zeit bis 2006 vor. Es geht vor allem aber über die amtlich von Merkel und Meyer vertretene Linie hinaus, dass man bei Hartz nicht wackeln wolle.

Schaden muss die Entdeckung des Herzens für ältere Arbeitslose in der öffentliche Debatte nicht. Die verläuft auch ansonsten so, dass die CDU-Spitze damit im Moment noch nicht richtig unglücklich ist. Auch wenn am Mittwoch erstmals der Protest öffentlich vernehmbar wurde, der bis dahin nur intern vorgetragen worden war. „Die CDU wäre gut beraten, bei den im März gemeinsam mit der CSU gefassten Beschlüssen zur Arbeitsmarktpolitik zu bleiben“, sagt der Chef der CDU-Arbeitnehmerschaft, Hermann-Josef Arentz. Einschränkungen des Kündigungsschutzes lehne er ab, auch weil sie „unserem politischen Gegner nur neues Verhetzungspotenzial“ böten. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Gerald Weiß, warnt gar davor, „einseitig nur auf neoliberale Konzepte zu setzen“. Dem widerspricht Meyer.

Dem widerspricht auch Fraktionsvize Friedrich Merz. Der hat gerade ein Buch geschrieben, in dem er, was dieses Thema angeht, Erfahrungen in anderen Ländern mit geringem Kündigungsschutz als Vorbild anführt. „Je geringer der Kündigungsschutz, desto niedriger die Arbeitslosigkeit“, formuliert Merz. Und was denn, bitte schön, den Deutschen ihr toller Kündigungsschutz nütze, wenn trotzdem 4,5 Millionen Menschen arbeitslos seien? „Ich plädiere dafür, dass wir für einen Mentalitätswechsel werben“, sagt Merz. „Wer nur der Regierung nachläuft, wird immer Zweiter.“ Wem das gilt? Nein, sagt Merz, keine Personaldebatte. Nur über die Sache wolle er reden. Weshalb sein Buch ja übrigens auch kein Personenregister enthalte.

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