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Politik: Vieles bleibt ausgeklammert

Serben und Albaner beginnen direkte Gespräche – über den Status des Kosovo reden sie aber nicht

DER KOSOVO–KONFLIKT

Schon Anfang Juli sollten erste Gespräche zwischen Pristina und Belgrad über praktische Fragen starten, doch erst an diesem Dienstag werden in Wien Serben und Albaner unter Leitung des UN-Sonderbeauftragten für das Kosovo, Harri Holkeri, den direkten Dialog über Fragen wie Minderheitenrechte und Energieaustausch beginnen. Über die heikelste Frage werden sie nicht sprechen: den künftigen Status des Kosovo.

Während die Kosovo-Albaner seit über zehn Jahren die Unabhängigkeit der Provinz von Belgrad fordern, bekräftigte Serbiens Parlament vor einigen Wochen, dass das Kosovo nur weit gehende Autonomie erhalten könne. In seltener Harmonie stimmte die Mehrheit der Abgeordneten für eine Erklärung, die das Kosovo als untrennbaren Teil Serbiens festschreibt. Seit der Ermordung des Premiers Zoran Djindjic im März hatte es in der Belgrader Politik an einem Konzept zur Kosovo-Politik gefehlt. Doch Vize-Premier Nebojsa Covic nutzte die Sommerpause für die neue Initiative. Darin heißt es, vor Gesprächen über den Status des Kosovo müssten alle Bestimmungen der UN-Resolution 1244 verwirklicht werden, also auch die „Standards eines multiethnischen Lebens“.

Aus serbischer Sicht ist vor allem inakzeptabel, dass die über 200 000 Vertriebenen aus Kosovo nicht zurückkehren können. Angesichts der zunehmenden Gewalttaten gegen Serben hat sich die Kritik an der UN-Verwaltung verschärft. Die Ermordung serbischer Jugendlicher beim Baden in der serbischen Enklave Gorazdevac im August gilt als schlimmster Vorfall ethnischer Gewalt in Kosovo und fand in Serbien-Montenegro ein großes Medienecho. Mit seinen serbisch-orthodoxen Klöstern hat Kosovo auch große religiöse Bedeutung. In einem von der serbisch orthodoxen Kirche verbreiteten Memorandum steht: „Was Jerusalem für das jüdische Volk ist, ist Kosovo für das serbische Volk.“ Kosovo könnte im nächsten Jahr wichtiges Wahlkampfthema werden. Auch im Entwurf für eine neue serbische Verfassung wird Kosovo als Teil Serbiens genannt.

Der Premier der provisorischen Kosovo- Regierung, Bajram Rexhepi wertete schon den Belgrader Resolutionsentwurf als „schwere politische Provokation“ und Verstoß gegen die UN-Resolution 1244. Unter albanischen Politikern gibt es zur angestrebten Unabhängigkeit Kosovos keine Alternative. In der Bevölkerung wächst indes die Unzufriedenheit, weil die Provinz seit Ende des Krieges diesem hoch gesteckten Ziel wenig näher gekommen ist. Die Wirtschaftskrise und die schlechte Sicherheitslage gelten vielen Bürgern als Begleiterscheinung der unklaren Zukunft. Im Nachbarland Albanien wirft man Belgrad indes vor, in der Kosovo-Frage eine gefährliche Rückkehr zu einer erfolglosen nationalistischen Politik zu betreiben.

Gemma Pörzgen[Belgrad]

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