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Vier Fragen an Josef Joffe: Netanjahu, Blockupy, IS, Varoufakis

Was macht die Welt? Feinde als Freunde gewinnen, Krieg in deutsche Städte tragen und den Mittelfinger aus Amerika importieren.

Netanjahu hat die Wahlen in Israel gewonnen. Obama grämt sich. Ist das persönliche Antipathie oder etwas Gravierenderes?

Obama sollte sich grämen. Sein Flirt mit Teheran und seine offene Verachtung für Netanjahu entpuppten sich als dessen beste Wahlhelfer. Freilich ist das nur eine Momentaufnahme. Dahinter steht, was in der Diplomatiegeschichte „Umkehrung der Bündnisse“ heißt. O. glaubt, er könne sich auf den alten Feind Teheran stützen. Das hat nicht nur die Israelis vergrätzt, sondern auch Saudis, Jordanier, Ägypter, „Gulfies“. Ein gewagtes Spiel: Am Ende könnte er alte Freunde verlieren, ohne den Iran zu gewinnen.

Verletzte und Verwüstungen nach der Frankfurter Blockupy-Demo: Hat die Linke ein Problem mit der Gewalt?

Offensichtlich nicht; sonst würden die Maskierten nicht ständig den Krieg in deutsche Städte tragen. Das hat mit „links“ nichts zu tun, sondern mit Faschismus in seiner historischen Bedeutung. Anders als Sozialismus oder Liberalismus hat der F. keine kohärente Theorie. Der Kern ist die „direkte Aktion“: pure Gewalt im permanenten Kampf; das Mittel bleibt das Ziel. Bloß wehe, wenn der F. siegt. Dann kommt der Totalitarismus, der Terror des Staates. Fragen Sie einen vom „Schwarzen Block“, wie er sich die Zukunft vorstellt. Ihn interessiert nur die Verwüstung: heute EZB, morgen G 7. Dabei möglichst viele Bullen verletzen und Bürger terrorisieren.

Die Terrormiliz IS wütet nun auch in Tunesien: Wie gefährdet ist das arabische Musterland der Demokratie?

Hier gilt das Gleiche, bloß unter der schwarzen Flagge des Islams: Terror, Blutrunst und Zerstörung unter dem Deckmäntelchen des „Kalifats“ – selbst die Symbole anderer Kulturen müssen ausradiert werden. Dass der IS im fernen Tunesien angreift, ist allerdings ein Zeichen seiner Schwäche, wird ihm doch im Irak eine Beute nach der anderen durch die arabisch-amerikanische Koalition entrissen. Inzwischen bringen sie sich im IS gegenseitig um. Tunesien ist anders als Syrien, Libyen und Irak kein gescheiterter Staat; das Volk steht hinter Regierung und Militär. Tunesien hat weiterhin die besten Chancen.

Ein letztes Wort zu ausgestreckten Mittelfingern ...

Wieder einmal siegt das amerikanische Beispiel. Zwar kannten schon die alten Griechen den katapygon, aber in die deutsche Hochkultur wurde dieser aus den USA importiert: als Geste der äußersten Verachtung, die keine geistige Anstrengung erfordert. Zuvor musste man mit dem Zeigefinger an die Stirn tippen, um wie Stefan „Stinkefinger“ Effenberg 1994 aus der Nationalmannschaft zu fliegen. Ein letztes Wort zu Varoufakis, dem griechischen Minister: Lieber dessen Mittelfinger als eine pseudo-marxistische Predigt aus professoralem Munde.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Fragen: mal

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