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Vier Fragen an Josef Joffe: Obamas zu heftiger Linksdrall

Josef Joffe über eine sich selbst zentrierende USA, einen Präsidenten der seine Zeit daheim investieren wird und Republikaner, die das Messer an seiner Gesetzgebung ansetzen werden.

Heute ausnahmsweise, weil’s so spannend ist, nur zu Amerika. Die Republikaner haben die Kongresswahlen gewonnen. Was hat Obama falsch gemacht?

Er hat vor allem die Mitte beziehungsweise die Wechselwähler abgestoßen, die man hier „Independents“ nennt. Die haben ihn 2008 zuhauf gewählt und sind jetzt von den Demokraten abgefallen, weil Obama das Land zu heftig nach links drehen wollte. Amerika ist also ein Land, das sich von selbst „zentriert“. Das geht schneller als in Deutschland, weil Amerika kein Parteienstaat ist und weil alle zwei Jahre gewählt wird. Deshalb können sich Gegenströmungen einfacher durchsetzen. Obama hat 2008 seinen 7-Punkte-Vorsprung vor McCain mit einem Mandat verwechselt. Der moderne Wähler aber gibt keine Mandate, sondern nur knapp befristete Wechsel auf die Zukunft.

Gleich nach der Wahlschlappe fährt der US-Präsident nach Asien. Sucht er sein Heil nun in der Außenpolitik?

Das darf man bezweifeln. Erstens, weil er sich in den kritischen Auswärts-Fragen nicht durchsetzen konnte. Die Iraner bauen munter weiter an ihrer Bombe, die Chinesen denken nicht daran, ihre Exportüberschüsse durch Aufwertung zu schmälern, und die Europäer machen auf Austerity, statt sich um Obamas Appelle für noch größere Defizite zu kümmern. Im Ausland winkt also wenig Lorbeer. Zweitens muss jetzt Obama viel Zeit daheim investieren: in einem Kongress, wo die Republikaner das Messer an seiner Gesetzgebung ansetzen werden. Das wird ein zeitaufwendiges Dauer-Match bis zur nächsten Wahl 2012.

Wegen der neuen Mehrheiten wird’s wohl nichts mit Abrüstungs- und Klimaschutzabkommen. Müssen die Europäer ewig auf amerikanische Vernunft warten?

Das hängt davon ab, was vernünftig ist. Ist der Abrüstungswettlauf, der in Westeuropa begonnen hat, vernünftig? Nicht, wenn die EU eine strategische Rolle in der Welt spielen will. Klimaschutz ist grundsätzlich gut, die Frage ist bloß: Was kostet er heute im Vergleich zum Gewinn von morgen? Im übrigen sind die Amis nicht die Umweltschänder, als die sie gern in D gesehen werden. Hier in Kalifornien muss WmdW seinen Müll gleich vierfach trennen – seit neuestem auch den Bio-Müll in einer Kompost-Tonne ablegen. Und auch ein 100-km/h-Tempolimit ist praktischer Klimaschutz.

Und noch ein Wort zu Amerika ...

Diese gute Nachricht von der Arbeitsfront kam zu spät für Obama. Zum ersten Mal seit Mai gab’s im Oktober wieder neue Jobs. Die gefürchtete Doppel-Rezession kommt also nicht. Nur bewegt sich die Arbeitslosenquote trotzdem nicht, weil die Bevölkerung hier wächst und deshalb jeden Monat neue Jobsuchende auf den Markt drängen.

Der Autor ist Herausgeber der „Zeit“ und lehrt bis Ende des Jahres an der Stanford University. Fragen: mal

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