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Josef Joffe.

© Tsp

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Weder mit Saudis noch mit Russen ins Bett gehen - und die Frauen loben.

Die Bundesregierung intensiviert ihre Kontakte zu Saudi-Arabien und Iran. Russland wird weiter boykottiert. Ist das nicht ungerecht?
Die Antwort liefert die gute alte Realpolitik, ein Wort, das die Deutschen erfunden haben, aber heute nicht mehr schätzen. Ganz krass: Die Saudis haben sich nicht die Krim gegriffen, auch nicht, de facto den Südosten der Ukraine. Und sie testen auch nicht die Grenzen der Nato. Sie sind anders als Russland keine strategische Herausforderung für Europa. Überdies bilden sie ein Gegengewicht zum Iran, der in Nahost ausgreift und mit Atomwaffen liebäugelt. Ins Bett legen will man sich weder mit den Saudis noch mit den Russen. Aber Russland, ein militärischer Koloss mit Ambitionen, liegt vor der europäischen Haustür.

IS-Terror in der Türkei. Wie stabil ist das Land?
Eine Selbstmordattacke ist kein Auftakt zum Zerfall. Sonst wären all die westlichen Länder, die seit 9/11 Terroropfer sind (USA, England, Frankreich, Spanien, ...), dem Niedergang geweiht. Allerdings ist die Türkei auf dem Weg in die Alleinherrschaft, was den inneren Frieden, also die Stabilität, nicht stärkt. Zumindest sollte Erdogan freundlicher zu den Kurden im eigenen Land sein - und zu denen in Nahost, die er statt den IS bombardiert. Dann hätte er einen Todfeind weniger.

Die US-Republikaner streiten darüber, wie man am besten Ausländer aus dem Land schmeißt? Wie steht es um das Einwanderungsland?
Keiner von ihnen will Amerikas Lebensader seit 300 Jahren abbinden, nicht einmal Trump, der nur einen befristeten Stopp für Muslime fordert. Es geht um die Kontrolle der Südgrenze und den Umgang mit elf Millionen, die illegal eingewandert sind. Ein Top-Kandidat wie Marco Rubio ist selber Einwandererkind. Das Einwandererland Israel kämpft mit den gleichen Problemen. Und Europa neuerdings auch, wo sich progressive Politiker ebenfalls darüber streiten, wie man den Zufluss am besten rationiert - und die Neuen möglichst rasch integriert. Merke: Wer reich ist, zieht Menschen an. Das ist so wie seit Tausenden Jahren.

Ein Wort zum arabischen Mann...
Den gibt es ebenso wenig wie DEN deutschen Mann. Aber es gibt kulturelle Prägungen, die auch ein guter Multikulturalist nicht übersehen kann - Stichwort "Patriarchat" im Gegensatz zur Gleichberechtigung von Frau und Mann und den strikten Sex-Codes im Westen. Das Problem, wie Köln zeigt: Die überwältigende Mehrheit der Neuen ist jung und alleinstehend. Sie stehen also nicht unter dem zivilisatorischen Einfluss von Müttern, Frauen und Freundinnen. Christliche Fußball-Hooligans in Europa kommen hauptsächlich allein oder im Männerrudel ins Stadium. In Amerika aber sind Football und Baseball Familienereignisse, weshalb es dort selten zu Schlägereien kommt. Ein Lob auf die Frauen.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“.

Fragen: Malte Lehming.

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