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Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

"Zeit"-Herausgeber Josef Joffe über die Folgen des Brexit, Obamas Scheitern in der Einwanderungspolitik und Steinmeiers Äußerungen über das "Säbelrasseln" der Nato

Die Briten votieren für den Brexit. Naht das Ende Europas?

„Ende“ ist ein großes Wort. Aber mit dem Votum haben die Briten sozusagen das dicke Ende der europäischen Wurst abgeschnitten. Die EU verliert knapp ein Fünftel ihres BIP, die letzte Wachstumswirtschaft unter den Großen, den Finanzplatz London, eine Stimme für den freien Markt, die einzige Macht neben (vielleicht) Paris, die militärisch handeln kann und will. „Klein-England darf ich Ihnen Klein-Europa vorstellen?“ Noch törichter als der Brexit ist die Parole: „Lassen wir die doch abhauen.“ Europa wird weder stark, noch einig sein. Diese historische Tragödie droht, die EU zum Wurmfortsatz Eurasiens zu machen. Putin freut sich, Amerika verliert den Respekt.

Warum wählen Menschen, die verunsichert sind, die Unsicherheit?

WmdW gibt zu, dass er das genaue Gegenteil erwartet hatte: In der Wahlkabine, im Moment der Wahrheit, würden die Briten gegen das Abenteuer votieren. Journalisten und Anlageberater sind eben keine Wahrsager. Deshalb kühlt WmdW sein Mütchen an den Briten: Was ist los mit euch? Ihr wart doch in Europa für rationales, interessengeleitetes Denken zuständig, anders als die Germanen, von denen Heine sang: „Franzosen und Russen gehört das Land / Das Meer gehört den Briten / Wir aber besitzen im Luftreich des Traums / Die Herrschaft unbestritten.“ Früher haben die Briten ein Weltreich beherrscht; jetzt suchen sie ihr Glück in „Little England“. Think again und stimmt in einem zweiten Referendum für eure und Europas Größe.

Obama erleidet eine Schlappe mit seiner Reform der Einwanderung: Was gelingt ihm überhaupt?

„Lahmen Enten“ gelingt im letzten Jahr der Amtszeit selten Großes, erst recht nicht, wenn sie per Dekret am Kongress vorbei regieren, wie es Obama getan hat. Die Entscheidung des Obersten Gerichts ist seine ärgste Niederlage. Sie zeigt, dass die Gewaltenteilung in Amerika funktioniert. Zwar ist sie ein schwerer Schlag gegen vier Millionen Illegale im Land. Aber sie ist auch tröstlich, warnt sie doch Trump, so er denn Präsident wird: Er werde nicht den Imperator spielen können, der im Wahlkampf andauernd von verfassungsfeindlichen Initiativen faselt.

Ein letztes Wort zum "Säbelrasseln" der Nato...

Die Russen rasseln nicht nur mit dem Säbel, sondern sie schwingen ihn auch (Krim, Südost-Ukraine). In ihren sorgfältig begrenzten Manövern „rasselt“ die Nato mit dem Taschenmesser. Was in den bedachten Steinmeier gefahren ist, bleibt ein Rätsel. Er weiß sehr wohl, wer provoziert und wer vorsichtig pariert. Er hat nicht nur die Chefin desavouiert, sondern auch das Bündnis, das 70 Jahre lang Europas Sicherheit garantiert. Als Stratege und Diplomat kriegt das Rumpelstilzchen ein „ungenügend“.  

Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit". Fragen: mal

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