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Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat Neuwahlen angekündigt.

© Leon Neal/AFP

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

"Zeit"-Herausgeber Josef Joffe über Theresa Mays Kalkül, die Lage der Türkei und das Verblassen von Martin Schulz.

Theresa May lässt sich wählen. God save the Drama-Queen?

Mrs. May ist keine Drama-Queen, sondern wie M, die kaltblütige Chefin (Judy Dench) des britischen Geheimdienstes aus James Bond. Das Kalkül ist so simpel wie einsichtig. Die linksradikalisierte Labour-Opposition ist am Boden; die Tories haben 20 Punkte Vorsprung in den Umfragen. Also: eine satte Mehrheit. Und Mrs. M. reitet mit Volkes Auftrag in den Kampf gegen Brüssel und die Separatisten in Schottland und Nordirland. Das ist auch gut für Europa. Eine starke M. kann die Kompromisse eingehen, die den Brexit halbwegs verträglich für England und Europa machen können.

Die Türken haben Ja gesagt. Muss die EU jetzt Nein sagen?
Am liebsten möchte man die Erdogan-Türkei in die Nähe von Papua-Guinea verlegen – so lange, bis die Demokratie wiederhergestellt ist. Geht aber nicht. Die EU braucht sie als Flüchtlings-, die Nato als Schutzwall an der Ostflanke und vorgeschobenen Stützpunkt für den Krieg gegen den IS, egal wie übelschmeckend dieser türkische Honig ist. Die Tür zum Beitritt ist nun endgültig zu, aber andere müssen offen bleiben. Das Angebot: je weniger Diktatur, desto mehr Zugang zur EU und ihren unverzichtbaren Märkten. Russland bietet da so wenig Ersatz wie China.

Der BVB-Attentäter imitierte den IS. Wie tief kann man sinken?
Bei Goldman landet Sergej M. keinen Job, obwohl er genau das versucht hatte, was George Soros 1992 inszeniert hatte, als er auf den Verfall des britischen Pfund spekulierte. Gewinn: eine Milliarde Dollar. Inzwischen sind die Banken und Aufsichtsbehörden schlauer geworden: Sie merken es, wenn plötzlich zu viele Put-Optionsscheine (Wetten auf fallende Kurse) gekauft werden, und so kamen die Büttel dem Bösling auf die Spur. Zudem hatte sich der Terror-Azubi verspekuliert. Die BVB-Aktie fiel nicht, sondern ging am Tag nach dem Anschlag um knapp zwei Prozent nach oben. Für die Dortmunder war es der wahre Horror, dass sie am Mittwoch aus der Champions League fielen – nach einem 1:3 gegen Monaco. Ansonsten ist die Welt wieder in Ordnung: Verbrechen zahlt sich nicht aus.

Ein letztes Wort zu Martin Schulz ...
Wieso zu St. Martin und nicht zu Mutti Merkel? Die hat wieder mal die Nerven bewahrt, darauf setzend, dass Meteore plötzlich hochschießen und verglühend wieder auf dem Boden der Tatsachen landen. Bei der Direktwahl-Frage lag Schulz im März neun Punkte vor Merkel, jetzt liegt sie mit sechs Punkten vorn. Weiland waren Union und SPD fast gleichauf; jetzt hat die CDU/CSU einen Vorsprung von 3,5 Punkten. In Krisenzeiten verblasst ein neues Gesicht, zumal ein eigentlich altes wie das von Schulz, und die Kids kommen wieder nach Hause.

Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit",
Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit",

© promo

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Anna Sauerbrey.

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