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Donald Trump mit Mike Pence bei einem Wahlkampfauftritt im Juli

© AFP/Getty Images/Aaron P. Bernstein

US-Vizepräsident Mike Pence?: Mr. Trump wird vorsichtig

Mit der Wahl des Gouverneurs von Indiana als "Running Mate" und dem Moment der Verkündung zeigt der Republikaner eine neue Tugend: Umsicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Beim Blick auf Donald Trumps Auftreten und seinen Wahlkampfstil fallen einem viele Vokabeln ein: unberechenbar, riskant, aggressiv, ungeschützte Sprache, entschieden ... Drei Worte gehören eher nicht dazu: vorsichtig, umsichtig, zögerlich.

Die folgenreichste Entscheidung des Wahlkampfs

Nun steht die wohl folgenreichste Entscheidung seines Präsidentschaftswahlkampfs an: Wen wählt er als Vizepräsidenten? Und da zeigt Trump plötzlich diese drei Eigenschaften, die er bisher gut versteckt hat: Vorsicht, Umsicht, Zögerlichkeit. Wegen des Anschlags in Nizza am französischen Nationalfeiertag hat er die offizielle Verkündung seiner Entscheidung verschoben; sie war für diesen Freitag, 17 Uhr (MEZ) angekündigt. Die Signale aus seinem engsten Mitarbeiterkreis sind allerdings stark, dass Mike Pence der Vize wird - so stark, dass die US-Medien sich sicher sind. Ginge das am Ende unerwartet anders aus, entstünde daraus ein Problem für Trump, sein Team und deren Kommunikationswege.

Mike Pence als Vize - das verstärkt das Signal der neuen Vorsicht. Der Gouverneur von Indiana ist im Vergleich mit anderen Namen potenzieller VP's, die genannt wurden, die am wenigsten riskante Wahl. Ein verlässlicher Konservativer mit starken christlichen Wurzeln und vielen Jahren Erfahrung sowohl als Kongressabgeordneter in Washington als auch als "Ministerpräsident" eines wichtigen Bundesstaats im Mittleren Westen. Er hat nicht das übersteigerte Selbstwertgefühl eines Newt Gingrich und nicht den unruhigen Aktionismus eines Chris Christie.

Pence ist grundsolide - im Kontrast zur Konkurrenz

Mike Pences Lebenslauf wirkt grundsolide. Seine Bilanz als Gouverneur von Indiana lässt sich gut verteidigen und als Erfolg verkaufen - auch das ein Gegensatz zu Chris Christie, dessen Gouverneurszeit in New Jersey mit einigen Skandalen verbunden ist. Und ebenso ein Gegensatz zu Newt Gingrich, der wegen Verstößen gegen die Ethikregeln sechsstellige Geldstrafen zahlen musste.

Gewiss, die Verschiebung der Entscheidung muss man nicht allein als Umsicht und als Rücksichtnahme auf die Opfer von Nizza interpretieren. Da spielt wohl auch eine Rolle, dass Trump die Schlagzeilen im Moment seiner Vizepräsidenten-Entscheidung für sich haben und nicht mit anderen Großereignissen teilen möchte. Das sprach für Abwarten.

Das Abwarten hat einen Preis

Andererseits hat dieses Abwarten einen Preis. Die Andeutungen, dass Mike Pence es wird, waren längst im Medienmarkt. So verpufft die Wucht, wenn nicht rasch die offizielle Verkündung folgt. Und ewig warten kann Trump auch nicht - jedenfalls nicht, wenn er Mike Pence dabei haben will. Der muss bis heute, 12 Uhr Ortszeit in den USA, erklären, ob er erneut als Gouverneur von Indiana kandidiert oder nicht. Deshalb hatte Trump seine Ankündigung ursprünglich auf Freitag, 11 Uhr, terminiert. Wenn Pence seine Bewerbung um die Wiederwahl als Gouverneur nicht bis 12 Uhr zurückzieht, können die Republikaner auch keinen Ersatzkandidaten mehr auf den Stimmzettel bringen, falls Pence VP wird.

Der ganze Prozess der VP-Auswahl steht im Gegensatz zu Trumps gewohnten Entscheidungsprozessen. Da kann er nicht eben mal schnell seinem Instinkt folgen. Seit Monaten wurde potenzielle Kandidaten von einer erfahrenen Anwaltskanzlei überprüft, um späteren Überraschungen vorzubeugen: Fragen nach Steuerunterlagen, Eheproblemen und ob die Sozialabgaben für Hausangestellte bezahlt wurden, usw. Das übernahm die selbe Kanzlei, die 2008 für John McCain tätig war. Am Ende stand damals eine Überraschung: Sarah Palin.

Die Wahl zwischen riskant und präsidial

Würde eine solche Wendung nicht gerade auch zu Trump passen? "High risk, high reward", wurde die Abwägung im Fall Palin beschrieben. Hohes Risiko, aber auch hoher Gewinn. Nach der Entscheidung ging McCain in den Umfragen in Führung vor Barack Obama.

Hätte man vor zwei, drei Wochen ohne Ansehen der Kandidaten blind gefragt, was wohl eher zu Trump passe - Vorsicht oder die Devise "High risk, high reward"? -, die meisten Beobachter hätten auf Risiko getippt. Bleibt es bei Mike Pence, hat Trump vielleicht doch einen kleinen Wandel vollzogen: etwas weniger Geschäftsmann, etwas mehr präsidial.

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