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Politik: Völkermord an Armeniern Thema im Bundestag

Fraktionen wollen gemeinsamen Antrag, streiten aber um den Wortlaut / Kanzler plant Türkei-Reise

Von Matthias Meisner

Berlin - Der Bundestag will über den Völkermord an den Armeniern noch vor dem 90. Jahrestag am 24. April beraten. Die Fraktionen bereiten derzeit einen interfraktionellen Antrag vor. Die Vorlage, über deren Wortlaut noch gestritten wird, soll am 21. April in den Bundestag eingebracht werden. Ein Beschluss wird allerdings erst Wochen später fallen, verlautete am Freitag aus Kreisen der Grünen-Bundestagsfraktion. Dort wurde zugleich der Vorwurf zurückgewiesen, die Verabschiedung sei nach Kritik aus der Türkei und auf Drängen der rot-grünen Koalition verschoben worden.

Die Union hatte im Februar einen Vorschlag zum Gedenken an die Massaker an den Armeniern gemacht. Das Wort Völkermord taucht in der Vorlage nicht auf. In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, alles dafür zu tun, dass sich die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches „mit ihrer Rolle gegenüber dem armenischen Volk in Geschichte und Gegenwart vorbehaltlos auseinander setzt“. Die bisherige Politik Ankaras stehe „im Widerspruch zu der Idee der Versöhnung, die die Wertegemeinschaft der Europäischen Union leitet, deren Mitgliedschaft die Türkei anstrebt“. Unter der Herrschaft des mit Deutschland verbündeten Osmanischen Reiches waren 1915 und 1916 in Ostanatolien bis zu 1,5 Millionen Armenier ermordet worden.

Noch vor Jahren hatte Rot-Grün gezögert, den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen – mit dem Argument, dies könnte den Dialog mit der Türkei erschweren. Im vergangenen Jahr hielt die damalige Grünen-Chefin und heutige Europaabgeordnete Angelika Beer die Gedenkrede auf der vom Zentralrat der Armenier organisierten Gedenkveranstaltung für die Opfer des Genozids. Damals ließ sie am Völkermord keinen Zweifel, nannte es allerdings populistisch, das Thema in der Diskussion um den EU-Beitritt der Türkei zu instrumentalisieren: „Es geht um den Dialog mit dem Ziel der Versöhnung, nicht um Benennung von Tätern.“ Inzwischen argumentiert der außenpolitische Sprecher der Grünen, Fritz Kuhn: Es führe kein Weg daran vorbei, dass sich „die Türkei ohne Tabus mit der Geschichte auseinander setzt“. Er will einen gemeinsamen Antrag im Bundestag „auf Basis“ der Vorlage der Union. Skeptischer ist der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler, nach dessen Auffassung der Antrag „völlig anders“ angelegt sein müsse als die Vorlage der Union. Erler nennt das Armenier-Thema „sehr kitzelig“. Auf keinen Fall werde die SPD bereit sein, im Bundestag strittige „historische Feststellungen“ zur Abstimmung zu stellen. Der CDU-Abgeordnete Christoph Bergner bleibt dennoch zuversichtlich: „Wir haben Signale bekommen, dass es eine Mehrheit für unseren Antrag geben wird.“ Eine Verabschiedung noch vor der Sommerpause sei „ein realistisches Szenario“.

Die „Mitteldeutsche Zeitung“ hatte berichtet, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wolle Anfang Mai in die Türkei reisen, vorher wolle Rot-Grün die Regierung in Ankara nicht verärgern. Ein Regierungssprecher bestätigte am Freitag, dass eine solche Reise in Planung ist. Dass Rot-Grün bei der Frage, wann der Armenier-Antrag beschlossen wird, die Kanzler-Reise im Blick habe, wird im Regierungslager aber bestritten.

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