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Türken demonstrieren am Samstag in Berlin gegen die geplante Bundestags-Resolution zum Völkermord an den Armeniern.

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Update

Völkermord an den Armeniern: Türken demonstrieren in Berlin gegen Resolution des Bundestages

Türkische Gruppen mobilisieren gegen Bundestags-Resolution zum Völkermord an den Armeniern. Dabei werden Abgeordnete unter Druck gesetzt. Özdemir wird als "Armenierschwein" beschimpft.

Mit einer Kampagne gegen die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich versuchen türkische Organisationen, die Mitglieder des Bundestages unter Druck zu setzen. Die Gruppen rufen dazu auf, in vorformulierten Schreiben gegen die geplante Armenien-Resolution des Parlaments zu protestieren. Eine Einstufung der Massaker als Völkermord sei „Gift für das friedvolle Zusammenleben zwischen Deutschen und Türken hierzulande, aber auch in der Türkei“, heißt es in den Mails an die Abgeordneten.

In den Zuschriften wird auch darauf verwiesen, dass sich mehr als 30.000 Deutsche in der Region Antalya niedergelassen haben. In Berlin demonstrierte am Samstagnachmittag zudem ein Bündnis türkischer Gruppen, darunter die Türkische Gemeinde zu Berlin, gegen die bevorstehende Bundestagsentschließung. Die Polizei berichtete von 1300 Demonstranten am Potsdamer Platz. Von dort zogen sie zum Brandenburger Tor.

„Der Bundestag ist nicht zuständig! Parlamente sind keine Gerichte!“, hieß es auf Transparenten. Die Demonstranten, von denen viele türkische Flaggen schwenkten, protestieren dagegen, dass in der Resolution die Massaker an den Armeniern 1915 im Osmanischen Reiche als „Völkermord“ eingestuft werden. Der Bundestag will die gemeinsame Resolution von Union, SPD und Grünen am Donnerstag verabschieden

Cem Özdemir berichtet von Beschimpfungen und Drohungen

Die deutsch-türkische Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) machte die Regierung in Ankara für die Aktionen verantwortlich. „Die Proteste und Kampagnen werden von der Regierung Erdogan maßgeblich unterstützt, wenn nicht gesteuert“, sagte Dagdelen dem Tagesspiegel am Samstag. Mehr als 100 Jahre nach dem Völkermord halte die Türkei verbissen an ihrer „Leugnungspolitik“ fest, kritisierte sie. Die Bundestagsabgeordneten dürften sich davon aber nicht beeindrucken lassen.

Nach einem Bericht von „tagesschau.de“ stehen Abgeordnete mit türkischen Wurzeln unter besonderem Druck. Grünen-Chef Cem Özdemir berichtete von Beschimpfungen und Drohungen auch via Facebook und Twitter: „Es sind immer die gleichen Ausdrücke: Verräter, Armenierschwein, Hurensohn, armenischer Terrorist und sogar Nazi“, sagte er dem Nachrichtenportal. Trotzdem dürfe das keine Ausrede sein: „Anders als in der Türkei muss hier kein Abgeordneter Angst haben, ins Gefängnis geworfen oder gar ermordet zu werden.“

Internationale Historiker stufen die Verbrechen als Völkermord ein

Der Bundestag will am nächsten Donnerstag über die Resolution mit dem Titel „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ abstimmen. Eine Mehrheit für den von Union, SPD und Grünen eingebrachten Antrag gilt als sicher.

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, wurde von Türken als "Armenierschwein" beschimpft.
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, wurde von Türken als "Armenierschwein" beschimpft.

© dpa

Bei der Vertreibung der Armenier aus Anatolien waren bis zu 1,5 Millionen Menschen gestorben. Armenien und viele internationale Historiker stufen die damaligen Verbrechen als Völkermord ein. Die Türkei lehnt dies strikt ab. Vertreter der türkischen Regierung haben den geplanten Bundestagsbeschluss bereits kritisiert.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verteidigte die Resolution als „Signal eines selbstbewussten Parlaments“. Der Bundestag setzte sich damit über die Vorgaben der Bundesregierung hinweg, sagte sie dieser Zeitung. Der Parlamentsbeschluss sei auch deshalb so wichtig, weil es „ohne Erinnerung keine Zukunft“ geben könne.

Die Debatte über den Antrag des deutschen Parlaments wird bereits seit mehr als einem Jahr geführt. Eine Entscheidung war unter anderem mit Rücksicht auf die schwierigen Verhandlungen über das Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei verschoben worden.

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