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Völkermord-Prozess: Karadzic boykottiert seinen Prozess

Der Prozess gegen den ehemaligen Serbenführer Karadzic soll am Montag beginnen. Aber der angeklagte Kriegsverbrecher weigert sich, vor dem UN-Sondergericht zu erscheinen.

Der wegen Völkermord angeklagte ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic hat den Boykott seines Prozesses angekündigt. Er werde zur Prozesseröffnung am kommenden Montag nicht vor den Richtern erscheinen, teilte Karadzic in einem Schreiben an den UN-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag mit.

Als Grund gab der 64-Jährige an, ihm sei nicht genügend Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung eingeräumt worden. Die Staatsanwaltschaft habe ihn "begraben unter einer Million Seiten" von Dokumenten, heißt es nach Angaben der niederländischen Nachrichtenagentur ANP in dem Schreiben. Der Gerichtshof hat dazu bislang keine Stellungnahme abgegeben.

In juristischen Kreisen in Den Haag hieß es, der Prozess könne auch ohne die Anwesenheit Karadzics eröffnet werden. Der Vorsitzende Richter könne den Angeklagten zudem zwingen, vor dem Gericht zu erscheinen. Karadzic sitzt im UN-Gefängnis im Haager Stadtteil Scheveningen in Untersuchungshaft. Er verteidigt sich auf eigenen Wunsch selbst, wird dabei allerdings hinter den Kulissen von einem professionellen Team unter Leitung des kalifornischen Anwalts Peter Robinson beraten.

Ein Antrag Karadzics auf mehrmonatige Verschiebung des Prozesses war Anfang Oktober von der Berufungskammer des UN-Gerichtshofes abgelehnt worden. Die Richter erklärten, der Angeklagte habe nach seiner Verhaftung im Juli vergangenen Jahres genügend Zeit gehabt, die Vorwürfe gegen ihn zu studieren. Karadzic werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 in elf umfangreichen Fällen vorgeworfen, darunter zwei Fälle von Völkermord.

Die wegen Kriegsverbrechen bereits verurteilte frühere Präsidentin der bosnischen Serben, Biljana Plavsic, soll am Montag vorzeitig aus der Haft entlassen werden. Wie Stockholmer Zeitungen übereinstimmend meldeten, wird ein entsprechender Regierungsbeschluss bis zum Wochenende erwartet. Plavsic wurde wegen Beteiligung an der Ermordung bosnischer Moslems und ethnischen Vertreibungen zu elf Jahren Haft verurteilt und hatte ihre Strafe seit 2003 in einem schwedischen Gefängnis verbüßt.

Das UN-Tribunal für das frühere Jugoslawien in Den Haag hatte Mitte September grünes Licht für die vorzeitige Haftentlassung der 79-Jährigen entsprechend schwedischen Gepflogenheiten gegeben. Schweden hatte sich bereit erklärt, vom UN-Sondergericht Verurteilte aufzunehmen.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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