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Vogelgrippe: Gefahr oder Panikmache?

Die Angst vor Vogelgrippe geht um in Deutschland. Die Bilder der Seuche in Hongkong sind vielen noch vertraut - dort hatte sie vor acht Jahren um sich gegriffen.

Berlin (18.08.2005, 17:43 Uhr) - Mehrere Menschen infizierten sich damals mit dem Vogelgrippevirus des Typs H5N1. Mindestens sechs Menschen starben, Millionen Tiere wurden getötet. Im Jahr 1999 grassierte das Virus in Italien, vier Jahre später brach die auch als Geflügelpest bezeichnete Krankheit in den Niederlanden aus. Seitdem suchte die Vogelgrippe mehrere asiatische Länder heim. Tote Vögel wurden nun bereits in Russland am Ural gefunden - und damit an der Grenze zu Europa.

«Wir sind in großer Sorge», sagt Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne). Sie sieht die Gefahren in illegalen Tierimporten, im Tourismus und in der Übertragung durch Wildvögel. Das Risiko, dass Zugvögel die Krankheit einschleppen, halten Wissenschaftler für real: «Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass einzelne infizierte Vögel aus Russland auch in Europa auftauchen», sagt der Präsident des Robert Koch-Instituts, Reinhard Kurth. Doch er warnt: Die Behauptung, dass der Erreger noch in diesem Jahr Millionen von Menschen infizieren könne, sei für ihn «nichts als unverantwortlicher Alarmismus».

Der Seuchenerreger wird von infizierten Tieren weitergegeben, auch über Eier und Geflügelfleisch. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht nur ein geringes jedoch Risiko für eine Übertragung über Nahrungsmittel. Die Viren werden beim Erhitzen zerstört.

Unbestritten ist, dass die Vogelgrippe auch für den Menschen sehr gefährlich sein kann. Seit Ende 2003 gab es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 112 registrierte Infektionsfälle beim Menschen, darunter 57 Todesfälle. Die WHO befürchtet die mögliche Entstehung einer aggressiven Kreuzung aus Vogelgrippe und menschlicher Influenza, die zu einer weltweiten tödlichen Epidemie bei Menschen führen könnte. Eine solche Kreuzung könne entstehen, wenn ein Patient mit Vogelgrippe und der menschlichen Grippe infiziert ist.

«Die Gefahr einer Pandemie (einer weltweiten Epidemie) ist real und das Risiko derzeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr», sagt RKI-Präsident Kurth. Eine passgenaue Schutzimpfung für Menschen gegen eine solche Grippe kann jedoch erst entwickelt werden, wenn das Virus vorliegt. «Bisher gibt es nur Musterimpfstoffe», sagt die Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen, Susanne Stöcker.

Mit einem Notfallplan will die Bundesregierung nun zunächst die Tiere in den Ställen lassen, um den Schutz zu verstärken. Die Zeit zum Handeln drängt, denn Anfang September werden Zugvögel aus Russland erwartet. Gleichzeitig werden die Vorsorgemaßnahmen an den Grenzen ausgeweitet. Ein EU-Importstopp für Geflügel und alle anderen Vögel ist inzwischen nicht nur aus mehreren südostasiatischen Ländern, sondern auch aus Russland und Kasachstan in Kraft. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) will mit verstärkten Kontrollen die Einreise von Menschen verhindern, bei denen der Verdacht besteht, dass sie das Vogelgrippevirus H5N1 einschleppen. Gegen eines kann er nichts machen: «Ich kann für Zugvögel leider keine Einreisebeschränkung verhängen.» (Von Marc-Oliver von Riegen, dpa)

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