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Volksabstimmung: Schweizer "Ausschaffung"

In der Schweiz fordern Rechte und bürgerliche Parteien die Ausweisung kriminell gewordener Ausländer. Am Sonntag wird abgestimmt.

Christoph Blocher hat einen Lieblingsfeind: den „kriminellen Ausländer“. „Zu viele Ausländer missachten unsere Gastfreundschaft. Sie begehen schwere Straftaten, bedrohen unser Eigentum sowie unsere Gesundheit und unser Leben.“ Als Gegenmittel fordert der Anführer der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) Ausweisungen. Blochers Losung: Wer verurteilt wird, „der muss gehen“. Am Sonntag können die Eidgenossen darüber abstimmen, ob sie die verschärfte „Ausschaffung“ wollen.

Zur Wahl stehen zwei konkurrierende Konzepte: einerseits die „Volksinitiative zur Ausschaffung krimineller Ausländer“ der SVP – der größten Partei des Landes. Andererseits der Gegenvorschlag des Parlaments, den auch die Regierung unterstützt. Menschenrechtler wie die Basler Soziologin Anni Lanz halten beide Pläne für „repressiv“. Die Schweizer können gleichzeitig die zwei Vorschläge gutheißen – in diesem Fall müssten sie später zu einer Stichwahl an die Urnen.

Laut Umfragen finden beide Konzepte großen Zuspruch. Das Land im Herzen Europas steht somit vor einem weiteren Rechtsruck. Vor einem Jahr sagte eine satte Mehrheit der Bürger zwischen Bodensee und Tessin Ja zu einem Bauverbot für Minarette. Damals wie heute dominiert die laute und finanzstarke SVP den Kampf um die Gunst der Abstimmenden. Das Land dürfe kein „Eldorado für kriminelle Ausländer“ werden. Mit „diesen Schlägereien, Messerstechereien und anderen Gewalttaten“ der Fremden müsse man Schluss machen. Die SVP-Wahlkampfmaschine spuckt seit Wochen Plakate, Broschüren und Handzettel aus. Zentrales Motiv: Ein weißes Schaf bugsiert ein schwarzes Schaf mit einem Tritt aus einem Feld mit Schweizer Flagge. Zudem verweist die SVP genüsslich auf die offizielle Kriminalstatistik: „Es ist festzustellen, dass der Anteil der verurteilten ausländischen Straftäter vergleichsweise hoch ist“, bestätigt die Regierung. Bei vorsätzlichen Tötungsdelikten liegt der Anteil beschuldigter Ausländer bei 59 Prozent, bei Vergewaltigungen liegt der Anteil beschuldigter Ausländer bei 62 Prozent. Insgesamt leben unter den knapp acht Millionen Einwohnern der Schweiz aber nur rund 22 Prozent Ausländer. Sollten die Eidgenossen die Blocher-Partei bestätigen, dürfte laut Regierung die Zahl der „Ausschaffungen“ sprunghaft ansteigen: Von rund 400 pro Jahr auf 1500 pro Jahr. Bislang gelten in den Kantonen verschiedene Regelungen zum Entzug der Aufenthaltsgenehmigung.

Alarmiert von den hohen Zustimmungsraten zu dem SVP-Konzept, formulierten bürgerliche Parteien wie die Christdemokraten einen Gegenvorschlag, den das Parlament guthieß. Danach müssen Ausländer prinzipiell bei den gleichen Strafen die Schweiz verlassen wie beim SVP-Plan: Mord, Raub, Menschenhandel. Ein wesentlicher Unterschied der Vorlagen: Die SVP listet die Delikte konkret auf, der Parlamentsvorschlag orientiert sich am Strafmaß und an der „Schwere der Tat im Einzelfall“.

Sozialdemokraten und Grüne aber lehnen beide Konzepte strikt ab: Die SVP liste willkürlich und unverhältnismäßig Straftaten auf, die zur Ausweisung führen, kritisieren die Grünen. Der Gegenvorschlag hingegen, so lästern die Sozialdemokraten, „atmet den Geist der SVP“.

Jan Dirk Herbermann

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