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Kindergärtnerin mit zwei Kindern

© dpa

Volksentscheid in der Schweiz: Berufsverbot für Pädophile ist "unverhältnismäßig"

Die Schweizer haben beim Volksentscheid am Sonntag für ein Berufsverbot für Pädophile gestimmt, die Regierung in Bern lehnt die Initiative ab. Auch deutsche Experten sehen den Vorstoß kritisch. In Deutschland sei die Gesetzgebung besser.

Verurteilte Pädophile sollen in der Schweiz ein lebenslanges Berufsverbot für den Umgang mit Kindern erhalten. Einem entsprechenden Gesetzesvorschlag stimmten beim Volksentscheid am Sonntag 63,5 Prozent der Wähler zu. Die Volksinitiative "Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen" strebt eine Verfassungsänderung an. Dem Entwurf zufolge sollen "Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben" für alle Zeiten das Recht verlieren, "eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben". Verurteilte bekämen automatisch ein lebenslanges Berufsverbot etwa für Kindergärten, Schulen, Sportvereine oder Behinderteninstitutionen.

Die Regierung in Bern lehnte die 2009 gestartete Initiative ab. Die geforderte Verfassungsänderung berücksichtige weder die Schwere der Tat noch Alter oder Motive des Täters. Der strikte Automatismus des vorgesehenen Berufsverbots widerspreche der Verhältnismäßigkeit und damit einer anderen zentralen Bestimmung der Verfassung.

"Unverhältnismäßig" und "populistisch" findet den Vorstoß auch der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Christian Pfeiffer. In Deutschland habe sich die Regelung über ein Führungszeugnis bewährt: "Und bei uns gibt es Löschungen im Strafregister, aus gutem Grund", sagt Pfeiffer. Jedem müsse die Hoffnung auf Neuanfang gewährt werden. Das Bundesverfassungsgericht gehe davon aus, dass der Mensch lernfähig sei. Außerdem gebe es sehr gute Beispiele für Erfolge von Resozialisierung. Auch sei die "Rückfallquote bei Sexualstraftätern atypisch niedrig".

Auch in Deutschland können Berufsverbote erlassen werden

Bei schweren Straftaten können auch deutsche Gerichte Berufsverbote verhängen, zum Beispiel wenn ein Kindergärtner wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wird. Für ein Berufsverbot bei Ersttätern gelten aber besonders strenge Anforderungen.

"Unsere Regeln sind gut", sagt Pfeiffer. Was in Deutschland noch fehle, sei eine Verlängerung der Verjährungsfrist. Aber auch die habe Justizminister Heiko Maas nun in einem Gesetzesentwurf aufgegriffen. Die Verjährung soll dann erst ab dem 30. Lebensjahr des Opfers beginnen. "Man muss davon ausgehen, dass sich viele erst im Erwachsenenalter entscheiden, die Täter anzuzeigen."

Insgesamt sei in Deutschland aber ein drastischer Rückgang von Missbrauch zu beobachten. Die Gründe dafür sieht Pfeiffer auch in einem "exzellenten Opferschutz" und einer "liebevolleren Erziehung der Kinder", die diese selbstbewusst mache, sich gegen Übergriffe zu wehren. So habe sich die Anzeigequote seit den 60er Jahren verdreifacht. "Die Sichtbarkeit von Missbrauch ist deutlich gestiegen."

Auch der Kinderschutzbund ist zufrieden mit der deutschen Regelung. Alle hauptamtlichen Personen in der Kinder- und Jugendhilfe müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. "Dies ist kein generelles Berufsverbot, schließt einschlägig vorbestrafte Personen aber de facto von der Berufsausübung aus", sagt die Bundesgeschäftsführerin Paula Honkanen-Schoberth. Zwei Manko gebe es dennoch: Bei ehrenamtlichen Position wie dem Vorstand oder dem Schatzmeister eines Vereis gelte diese Regelung nicht. Auch gebe es keine gesetzliche Frist für die Wiedervorlage des Führungszeugnisses.

"Deutschland ist weiter als die Schweiz"

"In Deutschland sind wir auf jeden Fall weiter als in der Schweiz", sagt Honkanen-Schoberth. "Dort ist noch nicht einmal die gewaltfreie Erziehung gesetzlich festgeschrieben."

Das schweizer Parlament hat bereits 2013 ein neues, verschärftes Gesetz gegen Sexualstraftäter beschlossen. Diese Bestimmung führe ein Berufsverbot für Pädophile ein, das "umfassender" sei als jenes der jetzt angenommen Volksinitiative. "Dieses Verbot kann nicht nur bei Sexualstraftaten,sondern namentlich auch bei Delikten gegen Leib und Leben verhängt werden", erklärte die Regierung. Das neue Gesetz kann trotz des Ja zu der Volksinitiative in Kraft treten, voraussichtlich ab 2015.

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