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Volkswirtschaft: Wehrpflicht kostet Wirtschaftswachstum

Gegner und Befürworter der Wehrpflicht führen stets Kosten als Argumente an. Eine Studie unter 21 OECD-Ländern kommt nun zu dem Schluss: Freiwilligenarmeen sind volkswirtschaftlich günstiger.

Länder mit Wehrpflicht und Zivildienst haben eine niedrigere Wirtschaftsleistung und ein niedrigeres Wachstum als Länder mit einer Freiwilligenarmee und professionellen Sozialdiensten. Jährlich kostet die Wehrpflicht eine entwickelte Volkswirtschaft einen viertel Prozentpunkt Wirtschaftswachstum. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschergruppe, die die Daten von 21 OECD-Ländern mit und ohne Pflichtdienst von 1960 bis 2000 empirisch untersucht hat. Bezogen auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2007 wären dies sechs Milliarden Euro.

„Die Wehrpflicht unterbricht den Prozess der Humankapitalbildung. Das hat langfristig Konsequenzen“, sagt Andreas Wagener, Volkswirt an der Universität Hannover und Mitautor der Studie „Military Draft and Economic Growth in OECD Countries“ des Helsinki Center of Economic Research. Zwar ist Deutschland wegen Datenproblemen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung nicht vertreten; die Forscher gehen aber davon aus, dass die negativen Effekte auch hierzulande wirksam sind. Während sich in Europa immer mehr Länder vom militärischen Pflichtdienst verabschieden – wie gerade Polen –, dauert die Diskussion in Deutschland an. Die Union bekennt sich zur Wehrpflicht, FDP und Grüne fordern ihre Abschaffung, und die SPD will an dem im Grundgesetz verankerten Wehrdienst grundsätzlich festhalten, aber nur noch Freiwillige einziehen.

„Aufs Leben hochgerechnet haben Pflichtdienstleistende systematisch niedrigere Einkommen. Das überträgt sich auf der makroökonomischen Ebene langfristig in substanzielle Einbußen bei Einkommen und Wachstum einer Gesellschaft“, heißt es in der Studie. Deshalb sei die Wehrpflicht eine unnötig kostspielige Art und Weise, Soldaten für das Militär zu rekrutieren. Für ein Jahrzehnt gehen Forscher davon aus, dass der negative Effekt auf das Wachstum zwischen 4,3 und 4,6 Prozentpunkten liegt.

Gegner und Befürworter der Wehrpflicht führen Kosten als Argumente an. So kam der heutige Wehrbeauftragte, Reinhold Robbe, in seiner Funktion als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses 2004 zu dem Ergebnis, eine Berufsarmee sei 3,5 bis 7 Milliarden Euro teurer als die derzeitige Armee. Das ist die betriebswirtschaftliche Sicht. Aus Sicht von Volkswirten bestehen die Kosten einer Wehrpflichtarmee dagegen unter anderem darin, dass die Wehrpflicht zum Verlust mindestens eines Jahresgehaltes der jungen Männer führt und damit zu entsprechendem Ausfall an Kaufkraft, Steuern und Sozialabgaben. Verloren geht nicht das niedrige erste Jahresgehalt, welches später nachgeholt wird, sondern das erheblich höhere letzte Jahresgehalt.

Derzeit rekrutiert die Bundeswehr jährlich mehr als 100 000 Männer als Grundwehrdienstleistende. Sie werden nicht marktüblich entlohnt; vielmehr erhalten sie einen geringen Sold. Deshalb, rechnen Experten vor, entsprechen die von der Bundeswehr ausgewiesenen Personalkosten nicht den tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten. Klaus Zimmermann, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), spricht in diesem Zusammenhang von „Opportunitätskosten der Dienstleistenden“. Das sind jene Kosten, die dadurch entstehen, dass die jungen Männer nicht in der volkswirtschaftlich günstigsten Position wirken. Derlei Kosten seien zu den reinen Personalkosten hinzuzurechnen. Fazit des DIW: Aus ökonomischer Sicht sei die Berufsarmee einer Wehrpflichtarmee vorzuziehen, denn: „Sie ist volkswirtschaftlich kostengünstiger und ordnungspolitisch sinnvoller.“ Thomas Ludwig (HB)

Thomas Ludwig (HB)

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