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Politik: Vom Philosophen zum Al-Qaida-Helfer?

Kieler Ex-Student muss sich wegen Verdachts der Unterstützung vor Gericht verantworten

Von Frank Jansen

Fanatische Islamisten sehen eigentlich anders aus. Redouane E. H. (37) erscheint am Mittwoch im Gerichtssaal wie ein handfester Mittelständler, der ein schnelles Geschäft abschließen möchte. Weißes Businesshemd, die Ärmel akkurat hochgekrempelt. Dazu ein sauberer Kurzhaarschnitt, der Kinnbart ist penibel gestutzt. Doch vor dem schleswig-holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig geht es nicht um herkömmliche Geschäfte, sondern um mutmaßliches Terrorbusiness in Zeiten des World Wide Web. Die Bundesanwaltschaft spricht zu Beginn des Prozesses von einem „Präzedenzfall“ – erstmals in der Geschichte deutscher Verfahren gegen Angeklagte, die dem globalen Netz der Heiligen Krieger zugerechnet werden, spielt das Internet eine herausragende Rolle.

Aus insgesamt 512 000 Dateien, die bei der Überwachung von Redouane E. H. und nach seiner Festnahme sichergestellt worden, hat die Bundesanwaltschaft ihre Anklage destilliert. Oberstaatsanwalt Matthias Krauß trägt vor: Der in Kiel gemeldete Deutschmarokkaner habe im August 2005 in einem Chatroom Osama bin Laden und einem „Emir“ der Al-Qaida-Filiale im Irak die Treue gelobt. „Aufgestachelt durch die über das Internet weltweit kommunizierten Hass- und Widerstandsparolen islamistischer Aktivisten“ habe E. H. intensive Kontakte zu zahlreichen Mudschaheddin (Kämpfern) vor allem in Syrien, Saudi-Arabien, Marokko und Algerien unterhalten – über islamistische Chatrooms, zum Teil konspirativ. Dann schildert Krauß, wie Al Qaida von der Internet-Liaison mit E. H. profitiert haben soll.

Der Angeklagte habe von Mai bis Juli 2006 in mindestens vier Fällen Kämpfer aus Marokko und Ägypten an Al Qaida im Irak übermittelt. Einer der potenziellen Selbstmordattentäter habe angekündigt, er wolle „für Gott einen Kriegszug“ unternehmen. Bei den Schleusungen soll E. H. mit Islamisten in Syrien kooperiert haben. Krauß hält dem Angeklagten auch vor, er habe mit Geldtransfers Schleusungen und die Ausrüstung von Gotteskämpfern unterstützt. Insgesamt soll E. H. in neun Fällen Al Qaida geholfen haben. Doch laut Anklage wollte er auch selber kämpfen.

Im Dezember 2005 soll der Deutschmarokkaner nach Algerien gereist sein, um sich bei der mit Al Qaida verbündeten GSPC im Umgang mit Sprengstoff ausbilden zu lassen. Vor einem Jahr soll E. H., wieder über Internet-Chats, mit mindestens vier weiteren Islamisten eine Terrorgruppe namens „Bataillon von Bilal al Habashi“ gegründet haben, die im Sudan den Heiligen Krieg entfesseln sollte. Kurz vor der Abreise, so schildern es Ermittler, sei der Deutschmarokkaner Anfang Juli 2006 in Hamburg festgenommen worden. Zwei mutmaßliche Komplizen wurden in diesem Jahr von Schweden an die Bundesrepublik überstellt. Gegen die beiden will die Bundesanwaltschaft in den nächsten Wochen Anklage erheben.

Die Sicherheitsbehörden hatten E. H. schon länger im Visier. Anfang 2006 wurde beobachtet, wie er, offenbar als Nachrichtenkurier, in Hamburg Kontakt zur Frau von Said Bahaji aufnahm, der zur Gruppe um die Selbstmordflieger des 11. September 2001 gehörte hatte und kurz vor den Anschlägen untertauchte.

Redouane E. H. äußert sich am ersten Prozesstag nur zur eigenen Vita. Er habe in Marokko studiert und sei 1995 nach Deutschland gekommen, um eine Doktorarbeit über den Philosophen Martin Heidegger zu schreiben. Daraus wurde nichts, E. H. eröffnete schließlich in Kiel ein Internet-Café. Der Angeklagte gibt sich sanft: „Ich war mein Leben lang Angsthase.“

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