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Politik: Vom Streifenpolizisten zum BGH-Präsidenten

Mit Klaus Tolksdorf rückt ein überaus streitbarer Jurist an die Spitze des Karlsruher Gerichts

Sozialdemokraten halten ihn für ein CDU-Mitglied. Christdemokraten wiederum glauben, dass er der SPD angehört. In Wirklichkeit ist Klaus Tolksdorf parteilos. Und an diesem Donnerstag wird er neuer Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe, der höchsten Instanz in Zivil- und Strafverfahren. Neu ist dort aber nur seine Position, das Gericht selbst ist ihm bestens vertraut. Der 59-Jährige gehört seit 15 Jahren dem BGH an und war zuletzt Vorsitzender des fast schon berühmt gewordenen 3. Strafsenats.

Wer meint, die parteipolitische Ungebundenheit des Neuen spreche für eine gewisse Meinungslosigkeit, der irrt. Der Mann mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen zeigt gerne Kante. Als Richter des 3. Strafsenats hat er an aufsehenerregenden Entscheidungen mitgewirkt. Zuletzt entschied er zusammen mit seinen Kollegen, dass die Großrazzien von Generalbundesanwältin Monika Harms vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm rechtswidrig waren. Da die militanten G-8-Gegner keine Terrororganisation darstellen, sei die Bundesanwaltschaft nicht zuständig gewesen. Aber auch die heimliche Online-Durchsuchung von Computern wurde von diesem Senat gestoppt, weil es kein Gesetz dafür gibt. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Tolksdorf bekannt, als er die Revisionsverhandlung gegen Josef Ackermann und die Mannesmann-Manager leitete und der 3. Strafsenat die Freisprüche aufhob.

Der aus Nordrhein-Westfalen stammende Jurist, der heute einen Lehrauftrag an der Universität Münster wahrnimmt, gilt als strenger Verfechter rechtsstaatlicher Prinzipien. Deshalb hob der 3. Strafsenat auch das erste Urteil für den Helfer der Hamburger Terrorzelle, Mounir Motassadeq, auf. Die Amerikaner hatten im ersten Prozess gegen den Helfer des Selbstmordpiloten Mohammed Atta wichtige Zeugen gesperrt. Tolksdorf wurde damals mit dem Satz bekannt, Terrorismusverfolgung sei „kein wilder ungeordneter Krieg.“ Am Tag nach der Urteilsverkündung zitierte ihn damit sogar die „New York Times“. Strafprozesse dürfen nach Tolksdorfs Überzeugung auch kein Schacher sein. Seine Gegnerschaft zum Deal im Strafprozess, wie er zuletzt bei Ex-VW-Personalvorstand Peter Hartz praktiziert wurde, eint ihn mit vielen Konservativen.

Einen eigenen Kopf bewies Tolksdorf schon als junger Mann. Der Sohn des früheren BKA-Vizepräsidenten Herbert Tolksdorf wurde nach dem Abitur in den 60er Jahren zunächst Polizeibeamter und studierte nebenbei Jura. Seine Erfahrungen als Streifenpolizist wolle er nicht missen, sagt er heute. Nach dem Studium ging es mit der Karriere des Vaters dreier Kinder, der in zweiter Ehe verheiratet ist, allerdings steil aufwärts. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am BGH und am Bundesverfassungsgericht. 1992 folgte die Wahl zum Bundesrichter, neun Jahre später wurde Tolksdorf dort Vorsitzender.

Während Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) von Tolksdorf überzeugt war – sie kennt ihn aus ihrer eigenen Assistententätigkeit am Bundesverfassungsgericht – zögerte die Union bei der Personalie zunächst. Erst im Dezember einigen sich die Koalitionspartner auf den neuen BGH-Präsidenten.

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