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Politik: Vom Werftenland zum Hightech-Standort - Schleswig-Holstein hat inzwischen ein höheres Wirtschaftswachstum als Bayern

Es sind die schwarzen Konten der CDU, die die Schleswig-Holsteiner wieder mehrheitlich auf die Seite von Heide Simonis gebracht haben. Umso mehr nervt es die 56-jährige Ministerpräsidentin, dass CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe ihrer Meinung nach "Schleswig-Holstein in den Dreck zieht".

Es sind die schwarzen Konten der CDU, die die Schleswig-Holsteiner wieder mehrheitlich auf die Seite von Heide Simonis gebracht haben. Umso mehr nervt es die 56-jährige Ministerpräsidentin, dass CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe ihrer Meinung nach "Schleswig-Holstein in den Dreck zieht". Das verdiene das Land nicht, schimpft die Diplom-Volkswirtin, die sich bei der Landtagswahl am Sonntag zum zweiten Mal dem Votum der Wähler stellt. "Wir haben es nicht nötig, uns als schläfrig und blöd beschimpfen zu lassen".

Die Fakten sprechen für Simonis. Das nördlichste Bundesland, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer auf Werften und Molkereien reduziert, hat mit einem Wirtschaftswachstum von zwei Prozent im vergangenen Jahr sogar Bayern (1,9 Prozent) und Hessen (1,8 Prozent) hinter sich gelassen. Zum Vergleich: In Berlin legte die Wirtschaft 1999 nur um 1,1 Prozent zu. Das Wirtschaftswachstum erklärt sich zum einen damit, dass die drei Kernkraftwerke in Krümmel, Brunsbüttel und Brokdorf fast 33 Prozent mehr Strom produziert haben als im Vorjahr. Es ist vor allem aber Folge einer erfolgreichen Ansiedlungspolitik: Im vergangenen Jahr kamen fast 160 neue Unternehmen nach Schleswig-Holstein - so viele, wie nie zuvor seit Beginn der statistischen Erhebung im Jahre 1970. Inzwischen ist in dem Küstenland - in dem mangels Rohstoffen bis in die 50er Jahre hinein der Schiffbau der wichtigste Wirtschaftszweig war - die Multimediabranche mit Unternehmen wie der Mobilcom AG oder Motorola zum größten Wachstumsträger geworden. Für das Jahr 2000 wird der Branche ein Umsatz von nahezu einer halben Milliarde Mark vorausgesagt. Der Wandel vom Agrarland zum Dienstleistungsstandort scheint den Nordlichtern gelungen zu sein. Inzwischen arbeiten 68 Prozent der Bevölkerung in Dienstleistungsberufen, nur noch 3,6 Prozent in der Landwirtschaft.

Freuen kann sich Ministerpräsidentin Simonis auch über die niedrige Arbeitslosenquote, die mit 9,9 Prozent im Januar stabil unter dem Bundesdurchschnitt (11 Prozent) liegt. Doch so erfolgreich die Bilanz der Ministerpräsidentin ist, so Recht hat auch Volker Rühe, der Heide Simonis gerne die hohe Verschuldung des Landes unter die Nase reibt. Vor sieben Jahren war die Ministerpräsidentin als harte Finanzpolitikerin angetreten, heute hat das 2,7-Millionen-Einwohner-Land die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung unter den Flächenländern - übertroffen nur vom Saarland. Insgesamt hatte das Land 1999 einen Schuldenberg von 30 Milliarden Mark angehäuft - doppelt so viel wie der gesamte Landeshaushalt.

Um die zulässige Höchstgrenze für die Neuverschuldung nicht zu überschreiten, verkaufte der Finanzminister vor zwei Jahren Liegenschaften im Wert von rund 600 Millionen Mark an die Landesbank und mietete anschließend das Gebäude von der Bank zurück. In diesem "Immobiliendeal" sieht die Landes-Opposition eine verdeckte Kreditaufnahme. Der designierte CDU-Finanzminister Gunnar Uldall kündigte im Fall einer Wahlsieges neben einer sofortigen Haushaltssperre an, unter einer CDU-geführten Landesregierung werde es "keinen weiteren Ausverkauf von Grundstücken an die Investitionsbank geben".

In der Verkehrspolitik ziehen die Regierende und ihr Herausforderer dagegen an einem Strang. Beide wollen die Ostseeautobahn A 20 und der Fehmarn-Belt-Querung bauen. Der A-20-Abschnitt zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Lübeck soll Ende 2002 fertig sein, das anschließende Stück zwischen Lübeck und der westlichen Elbumfahrung ist noch im Planungsverfahren. Durch die dynamische Entwicklung des Öresund-Wirtschaftsraumes (Südschweden und Dänemark), die schon fertigen Verbindungen über den Großen Belt und die Autobahn über den Öresund sieht sich das Land unter Zugzwang gesetzt: Bis 2010 wird der Güterverkehr voraussichtlich um fast die Hälfte auf 115 Millionen Tonnen zunehmen.

Darum drängen vor allem die Dänen und Schweden darauf, auch die knapp 20 Kilometer lange Fehmarn-Belt-Querung zu bauen. Sie würde die Transportwege aus der Öresund-Region nach Deutschland um 160 Kilometer verkürzen - und Schleswig-Holstein helfen, seine relative Randlage zu überwinden.

Auf dem Terminkalender werden der Bau der Ostseeautobahn und der Fehmarn-Belt-Querung weiter ganz oben stehen - unabhängig davon, wer am morgigen Sonntag in Schleswig-Holstein das Ruder übernimmt.

pet

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