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Politik: Von Afghanistan nach Osteuropa

CIA-Affäre: In einem neuen Bericht verdächtigt Amnesty International vier Länder als Gefängnisstandorte

Berlin - Irgendwo in Afghanistan, Ende April 2004. So um den 24. herum wurde Muhammad al Assad aus seiner Zelle in einen anderen Raum gebracht. Die Prozedur war offenbar bei allen Häftlingen die gleiche: Nackt ausziehen, saugfähige Plastikunterhose anlegen, darüber Baumwollwäsche und schließlich einen blauen Overall. Schwarz maskierte Männer schlangen dem Gefangenen routiniert Fesseln um Hände und Füße. Ohrstöpsel, eine Augenbinde, Operationsmaske vor dem Mund, eine Kapuze über dem Kopf und schwere Kopfhörer noch darüber sollten offenbar jede seiner Wahrnehmungen ersticken. Der Jemenit durfte nicht wissen wo er war, mit wem – und erst recht nicht, wohin es gehen sollte. Dann hieß es für das gut verschnürte menschliche Paket in einem Nebenraum warten bis der Flug losgehen konnte. Ziel unbekannt.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, der al Assad seine Geschichte nach seiner Freilassung im Februar dieses Jahres erzählt hat, geht davon aus, dass die Maschine im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA al Assad und eine weitere unbekannte Anzahl von Terrorverdächtigen von Afghanistan nach Osteuropa gebracht hat. In eines der Geheimgefängnisse, die es dort geben soll und nach denen sowohl ein Sonderausschuss des Europaparlaments als auch ein Ermittler des Europarats suchen.

Die Schilderungen des Jemeniten lassen einmal mehr einen Blick auf das umstrittene Rendition-Programm der US- Amerikaner zur Verschleppung von Terrorverdächtigen zu. Sie sind Bestandteil eines Berichts, den Amnesty am Mittwoch vorstellen will. Darin liefert die Organisation den Ermittlern wieder neue Hinweise über die Infrastruktur der Verschleppung: auf die Nutzung von mindestens 25 Flugunternehmen als Tarnfirmen durch die CIA , auf über 1 000 Flüge und auf mögliche Standorte der angeblichen Geheimgefängnisse in Europa.

Obwohl die Staaten bisher dementieren konstatiert Amnesty jetzt: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass es Geheimgefängnisse unter anderem in der Türkei, Rumänien, Bulgarien oder Albanien gibt oder gegeben hat.“ Ihre Schlüsse stützt die Organisation (neben verschiedenen Quellen, darunter auch Presseberichte) auf die Aussagen mehrerer inzwischen wieder freigelassener US-Gefangener über Flugzeiten, klimatische Bedingungen und andere Haftumstände. Darunter auch die neuen Erkenntnisse aus dem Fall des Jemeniten al Assad.

Nach eigenen Aussagen wurde al Assad im Dezember 2003 in Tansania von US-Kräften festgenommen und über den Umweg über Dschibuti an einen geheimen Ort gebracht, den er und Amnesty in Afghanistan vermuten. Nach der Schilderung von al Assad – und weiteren zwei Jemeniten, die kurz zuvor in Jordanien festgenommen und ebenfalls wohl nach Afghanistan verbracht worden waren – wurden alle drei dann für weitere 13 Monate in ein Gefängnis gebracht, dessen Umgebung sie als „kalt und matschig“ und mit einem „extrem kalten Winter“ beschreiben.

Im vergangenen Jahr schließlich lieferten die US-Amerikaner die drei Jemeniten an ihr Heimatland aus, dort wurden sie vor Gericht gestellt und nach den Angaben von Amnesty International am 27. Februar dieses Jahres wegen Urkundenfälschung verurteilt. Terroristische Delikte spielten offenbar keine Rolle mehr.

In seinem Urteil ordnete der Richter an, dass die Zeit, „die die Verurteilten in Gefängnissen außerhalb des Landes verbracht haben“ auf die Haftzeit mit angerechnet werden soll. Daraufhin wurden die drei ehemaligen Terrorverdächtigen freigelassen.

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