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Politik: Von Afrika lernen

Pretoria will dem Irak bei der Abrüstung helfen – denn das Land weiß, wie man unter UN-Aufsicht Waffen vernichtet

Von Wolfgang Drechsler,

Kapstadt

Südafrika gilt als Musterbeispiel für eine von den Vereinten Nationen überwachte Abrüstung. Jetzt wollen die Südafrikaner ihre Erfahrungen offenbar mit dem Irak teilen. 1993 hatte der bisher letzte weiße Präsident Südafrikas, Frederik de Klerk, den Bau von Atomwaffen eingestanden und zugleich die Inspekteure der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) ins Land eingeladen. Diese lobten damals „die Offenheit der südafrikanischen Behörden“ in den höchsten Tönen. Jetzt ist nach Angaben eines lokalen Senders bereits ein Team von südafrikanischen Abrüstungsexperten auf dem Weg in den Irak. Ex-Präsident Nelson Mandela will sich ihnen später ebenfalls anschließen, er sagte: „Ich werde definitiv gehen, zuvor aber noch mit meinen Beratern sprechen.“ Zudem wolle er sich mit UN-Generalsekretär Kofi Annan absprechen.

Dessen Chefinspekteur Hans Blix zumindest zieht Südafrika gerne als positives Beispiel heran: „Anders als Südafrika, das sich eigenständig entschied, seine Nuklearwaffen zu verschrotten und im Rahmen der Entwaffnung Inspektionen als vertrauensbildende Maßnahme zuzulassen, scheint der Irak, selbst bis heute, nicht zu einer echten Entwaffnung bereit, wie sie von ihm erwartet wird“ schrieb Blix in seinem jüngsten Bericht an die UN. Sogar US-Außenminister Colin Powell lobte Südafrika kürzlich als Musterbeispiel für eine „wirkliche Entwaffnung“.

Der Plan aus Pretoria, die UN-Inspekteure mit eigenen Experten zu unterstützen, war am vergangenen Freitag zur Parlamentseröffnung offiziell von Südafrikas Präsident Thabo Mbeki vorgestellt worden. Nach Angaben der Südafrikaner hat er die Zustimmung des Irak. Auch Kofi Annan soll das Angebot gutgeheißen und die Entsendung der Atomtechniker gebilligt haben.

Mbeki zufolge würden dieselben Experten entsandt, die Anfang der neunziger Jahre Südafrikas Atomwaffen zerstörten. Angeblich ist die Initiative der Südafrikaner, die dem Irak mehr Zeit zur Erfüllung der UN-Auflagen geben würde, auch von amerikanischen und britischen Diplomaten mit vorsichtigem Optimismus aufgenommen worden. Man hofft, dass die Entsendung der Südafrikaner Vertrauen bilden könne. Der Einbezug eines Staates der Blockfreien-Bewegung könnte den Irak der Neutralität des UN-Prozesses versichern. Zudem hätte Bagdad eine letzte Gelegenheit, durch die volle Offenlegung des Programms gegenüber den südafrikanischen Experten einen Gesichtsverlust zu vermeiden. Denn seit Jahren bezichtigt der Irak die UN-Inspekteure, ein Werkzeug der Amerikaner zu sein. Südafrika hingegen sitzt gegenwärtig sowohl der Bewegung der Blockfreien als auch der Afrikanischen Union vor. Beide Organisationen haben in der Vergangenheit ihre Opposition gegenüber einem Irak-Krieg bekundet.

Einige Beobachter sind jedoch der Ansicht, dass es wegen der völlig unterschiedlichen Lage in beiden Ländern naiv wäre, vom Irak eine ähnliche Kooperation wie einst von Südafrika zu erwarten. „Pretoria hat seine Entwaffnung damals genutzt, um schneller von der Staatengemeinschaft akzeptiert zu werden“, argumentiert Greg Mills vom Institut für Sicherheitsstudien in Johannesburg. Im Gegensatz dazu habe der Irak eine erheblich feindseligere Beziehung zum Westen. Zudem könnte Saddam Hussein seinen Ruf im Nahen Osten verlieren, wenn er den Anschein erwecke, gegenüber dem Westen zu kapitulieren.

Südafrika hatte sein Atomprogramm Anfang der 70er Jahre begonnen. Es diente der Abschreckung gegenüber den unabhängig gewordenen schwarzen Nachbarstaaten, die ihrerseits die in Südafrika praktizierte Rassentrennung ablehnten und zum Teil wie Mosambik oder Angola eng mit kommunistischen Regierungen kooperierten. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wurden die Atomwaffen von der politisch isolierten weißen Minderheitsregierung jedoch zunehmend als Hypothek empfunden.

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