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Politik: „Von Al Qaida gelernt“

Experten: Bei Briefbomben aber kein islamistischer Hintergrund

Von Frank Jansen

Die Experten rätseln: Ist da eine besonders clevere Gruppe am Werk, formiert sich gar ein neuer Terrortypus? Nach den Briefbombenattentaten auf EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, weitere Repräsentanten der Europäischen Union und Europaparlamentarier wird ein schwer zu greifendes und deshalb besonders unangenehmes Phänomen untersucht.

„Ich fürchte, dass da jemand von Al Qaida gelernt hat“, sagt Kai Hirschmann, Vize-Direktor des Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik (Iftus). In Italien habe sich offenbar eine Gruppe Gleichgesinnter relativ spontan zusammengetan, um gegen ein gemeinsames Feindbild aktiv zu werden. Es gebe vermutlich keine kompakte Struktur wie einst bei der RAF. Ähnlich funktioniere das Al-Qaida-Netz: Von Osama bin Laden inspirierte Kämpfer bildeten autonome, auf eine bestimmte Aktion orientierte Zellen und schlügen dann zu. Einen islamistischen Hintergrund der Briefbombenserie schließen Hirschmann und andere vom Tagesspiegel befragte Experten allerdings aus.

Wer unter dem Namen „Federazione Anarchica Informale“ (Informeller Anarchistischer Bund) agiert, können die Fachleute bislang nur ahnen. Die Gruppe hat lediglich magere Bekenntnisse abgeliefert. Hirschmann vermutet indes bei den Absendern der Briefbomben „operative Intelligenz“ und hält deshalb eher eine Gruppe aus dem linksextremen als aus dem ultrarechten Spektrum für wahrscheinlich. Die Brandsätze seien gezielt verschickt worden, um die Aufmerksamkeit auf das Feindbild EU zu lenken – Neonazis hingegen bevorzugten den „undifferenzierten Knall“.

Die deutschen Behörden äußern sich nur vage zur Briefbombenserie. Eine „Federazione Anarchica Informale“ habe vor den Anschlägen niemand gekannt, heißt es. Hinweise auf Verbindungen in die Bundesrepublik gebe es bislang nicht.

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