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Politik: Von Annan ausgebremst

US-Diplomaten rechnen nicht mehr mit einer erfolgreichen Irak-Resolution. London hat sich damit abgefunden

Der umstrittene Irak-Resolutionsentwurf der USA hat offenbar kaum noch Aussichten auf Erfolg. In New York herrsche die Ansicht vor, dass die „Resolution tot ist“, auch wenn die Beratungen über den Text offiziell fortgesetzt würden, sagte ein US-Vertreter. Amerikas UN-Botschafter John D. Negroponte wurde noch deutlicher. Er sagte, man sei nicht mehr „in der Stimmung“, den Entwurf noch einmal zu überarbeiten.

Die Amerikaner sehen sich von UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgebremst. Der hatte sich nach Berichten aus Diplomaten-Kreisen im Sicherheitsrat auf die Seite Frankreichs geschlagen. Paris geht davon aus, dass die Attacken gegen die Besatzer im Irak nur dann bald aufhören, wenn schnell eine Interims-Regierung an die Macht kommt. Zudem hatte Annan bedeutet, er könnte nicht guten Gewissens wieder UN-Mitarbeiter in das Land schicken, solange sie nur unter der Befehlsgewalt der Amerikaner agieren dürften. Dazu sei die Lage zu gefährlich.

Bislang hatte sich vor allem das Außenministerium darauf verlassen, dass Annan helfen würde, einen Kompromiss im Sicherheitsrat zu finden. Jetzt kritisierten amerikanischen Diplomaten den Generalsekretär nicht direkt, sie nannten seine Bemerkungen im Sicherheitsrat laut „New York Times“ jedoch „ungewöhnlich“ und „nicht hilfreich“. Als kaum weniger widerspenstig hatte sich zudem Russland erwiesen. Nach den jüngsten Diskussionen konnte Washington nicht einmal mehr sicher sein, eine einfache Mehrheit für die Resolution zu bekommen. Ein nur mit Mühe durchgepeitschtes Papier hätte aber kaum weitere Länder animiert, sich militärisch und finanziell am Wiederaufbau des Irak zu beteiligen. Die Sicherheitslage im Irak ist nach wie vor äußerst angespannt.

Auch Amerikas enger Verbündeter Großbritannien rechnet offenbar nicht mehr damit, dass eine Irak-Resolution vor der Madrider Geberkonferenz am 23. und 24. Oktober zur Abstimmung gelangt. „Natürlich wäre eine Resolution hilfreich, aber sie ist nicht essenziell“, sagte ein Sprecher des Londoner Außenministeriums. Ungeachtet von Berichten über neue britische Kompromissvorschläge scheint man sich in Whitehall damit abgefunden zu haben, dass die Irak-Koalition vorerst ohne verstärkte internationale Unterstützung weitermachen muss. In der umstrittenen Frage des Machttransfers an die Iraker bleibt die britische Position unverändert. Wie die USA will man zunächst eine Verfassung und Wahlen im Irak. Eine Machtübergabe soll so schnell wie möglich stattfinden, aber nur, wenn ein solcher Transfer auch ohne größere Probleme möglich ist.

Deutschland und Frankreich fordern die Einsetzung einer Übergangsregierung in drei, spätestens fünf Monaten. Großbritannien schließt eine Souveränitätsübergabe vor Wahlen im Irak zwar nicht kategorisch aus, würde einen Zeitplan aber nur akzeptieren, wenn er vom irakischen Regierungsrat selbst vorgeschlagen wird. Als Möglichkeit für Kompromisse sieht man in London die Einberufung einer Verfassungskommission, der vom Regierungsrat klare Zeitvorgaben gemacht werden könnten.

Berlin hält offenbar den Zeitpunkt der Geberkonferenz für zu früh. Deutschland wäre es „nicht unrecht“, wenn die Konferenz später stattfinden würde, verlautete am Rande der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Jekaterinburg. Russlands Präsident Wladimir Putin sprach sich dafür aus, die neue Irak-Resolution noch vor der Geberkonferenz zu verabschieden. Eine solche Entschließung wäre „eine gute Basis“ für die Konferenz, sagte Putin in Jekaterinburg.

Matthias Thibaut

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