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Von der EZB ins Arbeitsministerium: Was steckt hinter dem Wechsel von Jörg Asmussen?

Der Finanzexperte Jörg Asmussen wechselt von einem Top-Job bei der Europäischen Zentralbank ins Arbeitsministerium - und das völlig überraschend. Was steckt hinter diesem Schritt?

Am Donnerstag wird Jörg Asmussen noch einmal an der Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) teilnehmen. Dann endet nach nur zwei Jahren der Job des 47-jährigen Deutschen im sechsköpfigen Direktorium der Notenbank – völlig überraschend auch für langjährige EZB-Beobachter. Zumal Asmussen noch Ende Oktober ausgeschlossen hatte, möglicherweise als Finanzminister einer großen Koalition nach Berlin zu wechseln. „Meine Amtszeit in der EZB endet Ende 2019. Ich habe die Absicht, sie zu erfüllen“, hatte Asmussen in einem Interview betont. Jetzt geht er als Staatssekretär ins Arbeitsministerium.

Warum holt die SPD Jörg Asmussen ins Arbeitsministerium?

Asmussen wird in seiner Partei nicht nur als Finanzexperte hoch geschätzt, sondern auch als ein Mann der Exekutive, der weiß, wie man ein Ministerium steuert. Im Finanzministerium war er vor seiner EZB-Zeit Leiter des Ministerbüros und vier Jahre lang Staatssekretär. Sein Wechsel nach Berlin sei nicht die Idee seiner neuen Chefin Andrea Nahles gewesen, sondern ein Wunsch von SPD-Chef Sigmar Gabriel, sagen Eingeweihte. Trotzdem sei Asmussen wegen seiner Fähigkeiten ein Glücksfall für die neue Arbeitsministerin, die bei Mindestlohn und Rente liefern muss und über den größten Etat im Bundeshaushalt verfügt.

Manche hoffen auch, dass die Expertise des Ex- EZB-Bankers der SPD ermöglicht, den Euro-Kurs von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf Brüsseler Ebene besser zu kontrollieren. Auf Unionsseite ist man aber gelassen und vertraut den Gründen, die er selbst für den Wechsel angibt.

Warum will Asmussen wechseln?

Asmussen selbst nennt persönliche Gründe für den Umzug, er hat zwei kleine Kinder, die er mehr sehen will. In Brüssel hat man dafür Verständnis. „G 8, G 20, Euro-Gruppe – der musste immer in der ganzen Welt rumturnen“, sagt ein ranghoher Brüsseler Beamte, „und bei den Krisensitzungen ist Draghi immer um acht gegangen und hat an Asmussen übergeben, der dann die ganze Nacht bleiben musste.“

In der Berliner Politik wird vermutet, Asmussen wolle sich politisch in Stellung bringen für eine zukünftige SPD-geführte Regierung. Dass ein Streit innerhalb des Direktoriums und zwischen EZB-Chef Mario Draghi und Asmussen eine Rolle spielt, halten Beobachter für unwahrscheinlich – im Gegensatz zu den Rücktritten des früheren Bundesbank-Präsidenten Axel Weber und von Asmussen- Vorgänger Jürgen Stark. Beide hatten die EZB-Krisenpolitik strikt abgelehnt. Michael Schubert, EZB-Experte der Commerzbank, erinnert daran, dass sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und Studienfreund Asmussen im Herbst vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Klage gegen das Anleiheprogramm der Bank trafen – Weidmann als Kritiker, Asmussen als strikter Befürworter des EZB-Kurses. Eugen Keller vom Bankhaus Metzler schließt aber Unstimmigkeiten nicht ganz aus, die Asmussen den Wechsel leichter gemacht haben könnten. Angeblich habe der 47-Jährige gegen die jüngste Zinssenkung gestimmt, möglicherweise stehe er weiteren Geldspritzen für die Banken kritisch gegenüber.

Klar ist, dass Asmussen mit dem Wechsel nach Berlin – zumindest vorübergehend – an Macht und Einfluss einbüßt und faktisch von der internationalen Bühne verschwindet. Zudem verzichtet er auf Geld. Bei der EZB erhielt Asmussen 2012 ein Grundgehalt von 22 269 Euro im Monat. Als beamteter Staatssekretär kommt er monatlich „nur“ auf rund 12 360 Euro.

Auf Asmussen folgt bei der EZB mit großer Wahrscheinlichkeit eine Frau

Wer folgt auf den Posten bei der Europäischen Zentralbank?

Viel spricht nach Ansicht von EZB-Experte Schubert für die 49-jährige Bundesbankerin Sabine Lautenschläger: Zum einen hat sich die EZB verpflichtet, den Frauenanteil im mittleren und oberen Management deutlich zu erhöhen. Vor allem im Direktorium und im EZB-Rat ist der Nachholbedarf enorm. Dort liegt die Frauenquote aktuell bei null. Im vergangenen Jahr war die Bestellung des Luxemburgers Yves Mersch in das Direktorium fast an der Frauenfrage gescheitert.

Zum anderen soll im Direktorium künftig ein Experte für Bankenaufsicht sitzen, der dann auch zur Spitze des Kontrollgremiums für die europäische Bankenaufsicht gehören soll, die ab November nächsten Jahres von der EZB übernommen wird. Auch hier spricht vieles für Lautenschläger, wie Eugen Keller vom Bankhaus Metzler betont. Schließlich arbeitet die Juristin und gebürtige Stuttgarterin seit 1995 in führenden Positionen in der Bankenaufsicht, vor ihrem Wechsel zur Bundesbank Mitte 2011 mit an der Spitze der Finanzaufsicht Bafin. Als Vizepräsidentin ist Lautenschläger in der Bundesbank für Bankenaufsicht zuständig. Fachlich gilt sie als über jeden Zweifel erhaben, sie scheut sich auch nicht, Bankern sehr klar die Meinung zu sagen. Auch die aktuelle Bafin-Chefin Elke König bringt beste Voraussetzungen für die Arbeit in der EZB mit.

Formal hat Deutschland keinen Anspruch auf die Besetzung des Postens, politisch allerdings wird kaum eine Regierung der Euro-Zone daran rütteln. Selbst wenn Lautenschläger von der neuen Bundesregierung nominiert wird, dauert es noch Wochen, bis sie in die EZB einziehen kann. Formal müssen die Finanzminister der Euro-Zone einen Kandidaten oder eine Kandidatin empfehlen, dann folgt eine Anhörung im EU-Parlament. Letztlich entscheidet der Europäische Rat über die Berufung eines neuen EZB-Direktoriumsmitglieds.

Wie wird der Wechsel auf europäischer Ebene kommentiert?

Mit Jörg Asmussen verlässt einer der wichtigsten Euro-Krisenmanager die europäische Bühne. Erst bereitete er als Finanzstaatssekretär Entscheidungen wie die Einrichtung der Rettungsschirme oder den Schuldenschnitt für Griechenland vor, um dann bei den folgenden Krisensitzungen als „Außenminister“ der EZB auf die andere Seite des Tisches zu wechseln. „Mit Jörg Asmussen verlieren wir einen der besten Vertreter, den Deutschland in vielen Jahren in der internationalen Finanzpolitik hatte“, sagt beispielsweise der Österreicher Thomas Wieser, der als Chef der Euro-Arbeitsgruppe, eng mit ihm zusammengearbeitet hat. „Es gibt wenige, die so rasch den Kernpunkt eines Themas nebst allen möglichen Schwachstellen durchschauen wie er.“

In der Frage der Bankenunion bot Asmussen – aus EU-Sicht zu Recht – auch seinem ehemaligen Dienstherrn Wolfgang Schäuble die Stirn oder verteidigte das umstrittene Schuldenaufkaufprogramm der EZB in Deutschland öffentlich.

Asmussens Wirken wird überwiegend positiv bilanziert – bis auf eine Ausnahme: Der schnell verworfene Plan, in der Zypernkrise auch Sparguthaben unter den gesetzlich garantierten 100 000 Euro zur Sanierung zweier maroder Banken heranzuziehen, soll einem EU-Diplomaten zufolge „auf seinem Mist gewachsen“ sein.

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